(c) Valerio Vincenzo

Ausstellung im Willy-Brandt-Haus Lübeck
Frieden ohne Grenzen - eine Utopie ist Wirklichkeit geworden

Wachtürme und Sperranlagen? Grenzsoldaten? Stacheldraht und Schlagbäume? Ein sogenannter Eiserner Vorhang, der die Länder politisch und militärisch trennt und abriegelt? Nichts von alledem findet sich in den ausgewählten Bildern des Fotografen Valerio Vincenzo.

Seine Fotografien dokumentieren fast unsichtbare kleine Grenz-Markierungen. Seit dem europäischen Einigungsprozess - 26 europäische Staaten schlossen sich dem Schengen-Abkommen an - verblassen die meisten europäischen Grenzen allmählich in der Landschaft und in den Köpfen der Menschen. In den letzten zehn Jahren erforschte der in Italien geborene und in Frankreich lebende Fotograf Valerio Vincenzo diese Binnengrenzen zwischen den europäischen Ländern.

Wie sieht sie aus, die Freiheit ohne Grenzen? Heute leben ca. 400 Millionen Menschen im Schengen-Raum, der eine Fläche von über 4,3 Millionen Quadratkilometern umfasst. Zwischen den Mitgliedsstaaten sind 16.500 Kilometer Grenzen frei passierbar. Seit dem Schengener Abkommen verschwimmen diese Grenzen unaufhörlich. Eine selbstverständliche, grenzenlose Bewegungsfreiheit und Flexibilität ist entstanden. Sie ist das Ergebnis einer europäischen Integration, eines historischen Wandels im politischen Denken. Der Traum vom vereinten Europa scheint Wirklichkeit geworden zu sein. Oder ist das nur eine Illusion? Kaum vorstellbar, welches Privileg wir in Europa genießen. "Ich wünsche mir, dass wir uns dieses Glücks bewusst sind", sagt Vincenzo.

(c) Valerio Vincenzo(c) Valerio Vincenzo

Und so sieht die Freiheit in Europa aus: Zwei Badende in einem See zwischen Polen und Litauen. Eine Gruppe Bergsteiger auf einem Berggipfel der Tiroler Alpen, der Grenze zwischen Deutschland und Österreich. Ein Kiefernwald mit einer schräg im Bild liegenden weiß-rot-weißen Stange und weiter hinten ein weißer Stein mit roter Kappe, das markiert die staatliche Grenze zwischen Österreich und der Tschechoslowakei. Auf einem anderen Foto führt ein Holzpfad durch die Dünen zum Strand. Links steht ein schwarz-rot-goldener Betonpfahl, rechts einer in Rot-Weiß: die Grenze auf Usedom zwischen Deutschland und Polen. Zwischen Lettland und Estland ist es ein flacher Steinwall, auf dem eine Familie durch die Felder geht. Zwei Radfahrer, die sich am Dreiländerpunkt zwischen den Niederlanden, Belgien und Deutschland treffen, küssen sich grenzübergreifend.

Bereits 2007 hat Vincenzo das Fotoprojekt "Borderlines" ins Leben gerufen, bereist seitdem immer wieder die Landesgrenzen Europas. Nur mit einem GPS bewaffnet, lokalen Karten und einer Kamera, dokumentiert er die politisch-kulturellen Unterschiede im Grenzbereich. Er hält fest, was von den einstigen Landesgrenzen übrig geblieben ist - dokumentiert Menschen und die idyllische Schönheit der Landschaften: eine Atmosphäre von Frieden und Freiheit.

(c) Valerio Vincenzo(c) Valerio Vincenzo

Seit 2015 wandert die Ausstellung durch Europa. Sie wurde am UNESCO-Hauptsitz in Paris und im Street Art Museum in St. Petersburg gezeigt sowie auf Foto-Festivals in Europa, darunter Arles, Paris, Rom und Madrid, in Straßburg, Sarajevo, Zagreb und Berlin.

Das Willy-Brandt-Haus Lübeck präsentiert nun unter dem Titel „Frieden ohne Grenzen“ diese überaus ästhetischen Farbaufnahmen von den heutigen europäischen Binnengrenzen. Valerio Vincenzo fotografiert nicht die offiziellen Grenzübergänge, sondern einsame Grenzmarken in einer pittoresken Landschaft. Eine vorwiegend trügerische Idylle mit oftmals skurrilen Bildmotiven.

Zu sehen ist die Ausstellung vom 4. September bis 1. November 2020 im Willy-Brandt-Haus Lübeck. Die Öffnungszeiten sind Dienstag – Sonntag, 11 bis 18 Uhr. Weitere Infos unter www.willy-brandt.de


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