Transfinlandia 1981, Foto: Flender Archiv, Sammlung Rainer Wiedemann

Ausstellung im Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk
Das, was von Flender übrig bleibt

Noch im Sommer 2002 erfolgte die Kiellegung der „Norröna“, einem Fähr- und Frachtschiff der Reederei Smyril Line auf den Faröer-Inseln. Es sollte das letzte Schiff sein, das die Flender-Werft ablieferte, bevor sie ein Jahr später wegen Insolvenz geschlossen wurde.

Sämtliche Schiffbautätigkeit wurde eingestellt. Mit der Insolvenz des 1917 gegründeten Unternehmens ging ein wichtiges Kapitel der Lübecker Industriegeschichte zu Ende. Diese und andere spannende, aber auch dramatische Geschichten erzählt die Ausstellung „Das, was von Flender übrig bleibt“, die bis zum 27. September 2020 im Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk zu sehen ist.

Kurator Rainer Wiedemann ist dem „Mythos Flender“ nachgegangen: Er hat noch lebende Zeugen befragt, die bei Flender arbeiteten. „Mit großer Wehmut berichten Alt-Flenderaner davon, wie tolle Schiffe von der Werft noch heute auf den Weltmeeren fahren“, erzählt der Kurator. „Viele im handwerklichen Bereich tätige LübeckerInnen haben einmal ihre Lehre bei Flender absolviert und denken nostalgisch, ja teils sogar liebevoll an die Ausbildungszeit und die dortige Kameradschaft zurück“, ergänzt Museumsleiterin Dr. Bettina Braunmüller.

Hein Hoyer 1936/37, Foto: Flender Archiv, Sammlung Rainer WiedemannHein Hoyer 1936/37, Foto: Flender Archiv, Sammlung Rainer Wiedemann

Wiedemann hat in akribischer Kleinarbeit in Archiven, Dokumenten und Presseberichten gestöbert. Er ist auf Spurensuche nach Schiffen gegangen, die noch heute auf den Weltmeeren herumfahren. Er hat Aufnahmen und Daten von Flender-Schiffen recherchiert, gesammelt und katalogisiert, die in Herrenwyk einst vom Stapel liefen.

Mit dieser Dokumentation und Ausstellung hat Wiedemann dazu beigetragen, dass diese für Lübeck einst bedeutende Werft nicht in Vergessenheit gerät. „Wenigen Menschen außerhalb Lübecks sei Flender ein Begriff“, so die Museumsleiterin. Diese jüngste Vergangenheit darf nicht nur Insidern, Schiffsbau- und Technikfreaks sowie Seeleuten in Erinnerung bleiben, sondern auch in den Köpfen der Bevölkerung.

Was ist nun tatsächlich von der Flender-Werft nach der Insolvenz übrig geblieben? Die Ausstellung thematisiert, was von dem riesigen Industriegebiet, das sich einst vom nördlichen Traveufer von Dänischburg bis Herrenwyk erstreckte, tatsächlich nach der Insolvenz übrig geblieben ist. Gibt es heute noch Spuren zu entdecken?

U120 Stapellauf 1940, Foto: Flender Archiv, Sammlung Rainer WiedemannU120 Stapellauf 1940, Foto: Flender Archiv, Sammlung Rainer Wiedemann

Tauchen wir also ein in die jüngste Geschichte: Filmmaterial informiert den Besucher über den einstigen Schiffbau bei Flender, von Anfang des Jahrhunderts bis zum Niedergang. Erzählt werden die Arbeitsbedingungen auf der Werft, den Schiffen und Kränen. Hinzu werden auf informativen Text- und Bildtafeln aktuelle Schiffe aus dem Hause Flender vorgestellt, die heute noch die Meere in Europa und Asien sowie dem Rest der Welt befahren. Ein Schiffsriss an einer Wand des Raumes lässt die Dimensionen der abgebildeten Schiffe erahnen. Diverse Schiffsmodelle ergänzen die Ausstellung. Sie sind Leihgaben aus dem Internationalen Maritimen Museum in Hamburg.

Die Werft begann in den 1920er Jahren noch mit relativ kleinen Schiffsbauten. Im 2. Weltkrieg produzierte sie für die Kriegsmarine von 1940 bis 1944 über 40 konventionelle U-Boote. Auch wurde noch 1944 auf der Werft ein Ein-Mann-U Boot entwickelt.

Nach Kriegsende spezialisierte sich das Unternehmen auf „große Pötte“: auf Fährschiffe, Fischdampfer, Fracht-, Tank- und Fahrgastschiffe sowie in den 90er Jahren auf mehrere Containerfrachtschiffe. Aber auch Kreuzfahrtschiffe und Luxusjachten liefen vom Stapel. Im Laufe der Jahre, je nach Auftragslage und Konjunktur, schwankte die Belegschaft zwischen etwa 4.000 bis 800 Arbeitskräften.

MS Norröna, Foto: B. JakobsenMS Norröna, Foto: B. Jakobsen

Durch die Subventionierung der Werften in Asien - die Schiffe konnten dort wesentlich billiger gebaut werden - kamen das Lübecker Unternehmen und andere deutsche Werften in eine finanzielle Schieflage. 2003 erfolgte die Insolvenz der Flender-Werft.

Flenders Zahlungsunfähigkeit war und ist kein Einzelfall, ebenso traf es die Bremer Vulkan AG oder die AG Weser. Der deutsche Schiffbau war nicht mehr rentabel, angesichts der billigen Konkurrenz aus Fernost. Die Arbeitswelt in Deutschland erlebte unter diesen Bedingungen einen enormen Strukturwandel in vielen Industriezweigen, die jetzt nach Asien ausgelagert wurden. Während bei der Bremer Vulkan AG rund 11.000 Mitarbeiter ihren Job verloren, waren es bei Flender weniger als 1.000, von denen einige anderweitig Arbeit fanden.

„Als Industriemuseum, besonders im Norden Lübecks, ist es uns ein Anliegen, an diese Werft zu erinnern und dieses Stück Industriegeschichte zu bewahren. Unser kleiner Ausstellungsraum in der Dauerausstellung kann dies leider nur in sehr begrenzter Form leisten. Umso mehr freut es mich, wieder eine Sonderausstellung zu diesem Thema zeigen zu können“, so die Museumsleiterin.

Eine informative und interessante Ausstellung. Der Weg nach Herrenwyk und ein Besuch in dem Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk sind zu empfehlen.

Das Begleitbuch zur Ausstellung „Das, was von Flender übrig bleibt“ von Rainer Wiedemann kann für 10 Euro im Shop des Museums käuflich erworben werden.

Die Ausstellung ist bis zum 27. September 2020 zu besichtigen. Die Öffnungszeiten sind Freitag von 14 – 17 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 – 17 Uhr.
Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk, Kokerstraße 1-3, 23569 Lübeck.


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