Kühlturm, Foto: (c) Jürgen Blenk

Das Hochofenwerksgelände - wie es war - wie es ist
Erinnerung und Neuanfang

Wie der Turm einer Kathedrale ragte der 42 Meter hohe Kühlturm auf dem Hochofengelände in Kücknitz in den Himmel: Ein Monster aus Stahl und Beton. Er galt als Symbol der Lübecker Industrialisierung, war beliebtes Fotomotiv und bei klarem Wetter von der Aussichtsplattform der St. Petrikirche in der Lübecker Altstadt zu bewundern.

Im Jahr 2009 kam das Ende dieses Wahrzeichen. Wie die stillgelegten Hochöfen fiel er dem Abriss zum Opfer, trotz anderer Nutzungskonzepte. Das Symbol der Herrenwyker Hüttenwerke war vernichtet.

Fotodokumente aus dem Archiv des Museums erwecken alte Einrichtungen zur Geschichte dieses bedeutenden Schleswig-Holsteinischen Hochofenstandortes wieder zum Leben, wie Verwaltungsgebäude, Hochöfen, Kokerei, Zementfabrik und Kupferhütte.

In der Sonderausstellung im Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk werden Fotografien von einst und heute gegenübergestellt; Karten aus zurückliegenden Jahrzehnten ausgewertet, welche die Größe und Vielfalt des Hochofenwerks zeigen. Beherbergte das Gelände einst einen Industriebetrieb mit über zwanzig Werkeinheiten, haben sich heute über dreißig Betriebe aus Handel und Handwerk, Gewerbe und Dienstleistungen angesiedelt. Bis zu 3.000 Menschen standen hier zu Spitzenzeiten in Arbeit, oftmals unter schwierigsten und gesundheitsschädigenden Bedingungen.

Hochöfen früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt HerrenwykHochöfen früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt Herrenwyk

Eine Chronik liefert Informationen über die Entwicklung des Werkes, von der Gründung im November 1905 bis zum Konkurs Ende der 1990-Jahre sowie seinem heutigen Zustand. Nach dem Niedergang des Werkes, der Verschrottung der drei Hochöfen mit den Gießhallen und dem Abriss der Kokereien wurde das Gelände mit neuen Straßen und Gewerbeflächen erschlossen.

Sehr zum Leidwesen der Museumsleiterin, Dr. Bettina Braunmüller, die zum heutigen Erscheinungsbild des Werksgeländes anmerkt: „Im Ruhrgebiet sind die alten Kühltürme Orte von Kunst und Kultur und somit noch fester Bestandteil des menschlichen Alltags und der Erscheinungsbilder der Orte. Die Anlagen sind somit immer noch identitätsstiftend und beflügeln den Mythos Ruhrgebiet. In Lübeck entschied man sich leider gegen eine solche Nutzung."

Kokerei früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt HerrenwykKokerei früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt Herrenwyk

Die Produktionssünden, das heißt die Altlasten der Fabrikationen, wie die bewusste oder unwissende Kontaminierung der Böden mit giftigsten Substanzen und Schwermetallen, wurde den nächsten Generationen überlassen. So wird heute zum Beispiel die ehemalige „Schlackenhalde“ des Werkes, einst die Ablagefläche aller „Reste“ aus den verschiedenen Werkeinheiten, als Naherholungsgebiet „Metallhüttenpark“ genutzt. Oder die beiden Schlammteiche im südöstlichen Teil des Geländes, die zugeschüttet wurden, um die Fläche neu zu bebauen - der Schlamm wurde ebenfalls auf der Schlackenhalde entsorgt.

Folgt der Besucher dem Ausstellungsparcour, wird ihm das Ausmaß dieser Umweltsünden bewusst. Ein Lichtblick sind die Fotos von Jürgen Blenk, der überaus ästhetische Industrie-Fotografien zeigt, welche die Geschichte des Geländes und die Nutzung des heutigen Areals beschreiben.

Werkstor früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt HerrenwykWerkstor früher, (c) Archiv des Industriemuseums Geschichtswerkstatt Herrenwyk

Was sollte mit dieser kontaminierten Industriebrache geschehen? Geplant war ein Modellprojekt einer Lübecker Recycling-Gesellschaft: Sanierungszeit ca. fünf Jahre und ein Kostenaufwand von 130 Millionen DM. Verwirklicht wurde bis heute nur die Sanierung von etwa 85 % der Fläche – ohne den Metallhüttenpark. Dieser wurde mit Spundwänden zur Trave eingekapselt, das Ufer mit Steinen gesichert, eine Plane und Erdboden für den Bewuchs aufgebracht. Mittels Beobachtungspegel, Oberflächenwasserdrainage und Spülleitung wird das gesamte Gelände regelmäßig kontrolliert. Die Hansestadt Lübeck dürfte noch Jahrzehnte mit der Beseitigung dieser Altlasten beschäftigt sein. Immerhin ist Herrenwyk eines der größten zusammenhängenden Industrie- und Gewerbeareale der Stadt.

Die informative Ausstellung „ERINNERUNG UND NEUANFANG. Das Hochofenwerksgelände – wie es war – wie es ist“ ist bis zum 22. September 2019 im Industriemuseum Geschichtswerkstadt Herrenwyk, Kokerstraße 1-3, 23569 Lübeck zu besichtigen.

Der Verein für Lübecker Industrie- und Arbeiterkultur hat einen Ausstellungskatalog herausgegeben, der im Industriemuseum zu erwerben ist.
Führungen und Exkursionen auf das Werkgelände ergänzen die von Helga Martens hervorragend kuratierte Ausstellung.

www.geschichtswerkstatt-herrenwyk.de


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