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Nicht verloren und doch gefunden? Haltet die Augen offen! Die Suche nach dem Glück

Schon wieder gibt es im Ultimo Lübeck, Ausgabe Oktober 2018 in der Rubrik Kontakte eine Kleinanzeige mit dem Text: „Auf der Suche nach dem Glück“. Es scheint ein immerwährendes Thema zu sein.

Nicht umsonst sind diverse Bücher auf dem Markt, und das lässt sich auch an dem Erfolg des Buches „Hectors Reise – oder die Suche nach dem Glück“ ermessen. Dieses Buch wurde zudem verfilmt und erzählt die Geschichte des Psychologen Hector, der, selbst unglücklich, sich auf eine Reise begibt, um diesen Zustand zu ändern und seinen Patienten besser helfen zu können. Eine lesenswerte Geschichte, bei der mich nur wundert, dass Hector nicht Aristoteles Schrift „Nikomachische Ethik“ gelesen hat, in der beschrieben wird, wie wir das höchste aller Güter, eben das Glück, durch praktisches Handeln erlangen können. Aber hätte er das gelesen, wäre die wunderbare Geschichte wohl nicht geschrieben worden.

Nun, ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, einigen Menschen das Glück etwas näher zu bringen – einigen Menschen – nein, sehr vielen. Genau genommen sollten es 11.111 Menschen sein, die durch mein Handeln, zumindest ein bisschen, glücklicher werden.

Foto: (c) Peng!Foto: (c) Peng!Eine fast unlösbare Aufgabe? – Nein! Eine sehr einfache. Vor nunmehr 18 Jahren, kurz vor der Umstellung der Währung auf den Euro, tauschte ich DM 111,10 in Glückspfennigstücke – den einen hatte ich noch in der Tasche. Vor ca. 16 Jahren begann ich, hier und da mal einen Glückspfennig auf den verschiedenen Wegen, wo auch immer, fallen zu lassen. Da ich nicht jeden Tag einen Glückspfennig verteilte – die gesamte Aktion würde dann ca. 30 Jahre dauern –, gab es an einigen Tagen mal keinen oder auch mehrere zu verteilen.

Das eine oder andere Mal setzte ich mich in die Fußgängerzone und beobachtete, ob der abgelegte Glücksbringer wohl gefunden wird. Leider laufen die meisten Menschen daran vorbei oder treten sogar darauf. Aber es gab auch wunderbare Ereignisse. Besonders süß war folgende Begebenheit: Eines späten Nachmittages im Sommer 2017 in der Großen Petersgrube. Eine Familie geht auf dem Gehweg in Richtung Obertrave. Die ca. fünfjährige Tochter läuft vorweg, bückt sich plötzlich und freut sich über die gefundene Münze. „Schau mal, Mami, ich habe Geld gefunden, aber es ist Falschgeld.“ „Nein“, antwortet die Mutter, „das ist kein Falschgeld, das ist ein altes 1-Pfennigstück. Ein Glücksbringer aus der Zeit, bevor Du geboren wurdest.“

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Nach einer so langen Zeit des Verteilens nimmt die Anzahl der Glückspfennigstücke nun dramatisch ab, und ich wollte es genauer wissen. Was passiert denn da? Werden sie wirklich gefunden oder vielleicht auch durch die Straßenreinigung aufgekehrt? Und wie aufmerksam sind die Menschen, so dass sie zu Findern werden? Ich wollte eine Beobachtungsaktion starten und diese photographisch dokumentieren.

Foto: (c) Peng!Foto: (c) Peng!Am gewählten Tag begann ich mit der Verteilung an der Brahms-Statue, Wallstraße, gegenüber der Musikhochschule Lübeck. Wieder einmal legte ich einen Glückspfennig in den Hut. Nun hatte ich für diese Aktion aber auch noch einen anderen Glücksbringer dabei – ein Hufeisen, das ich auf den ausgestreckten Zeigefinger der Statue hängte. Trotz vieler Passanten passierte nichts. Hufeisen wieder abgenommen, ging ich zur Liebesbrücke und deponierte dort einen Glückspfennig.

Zwei Männer mit Angelruten kamen mir entgegen, übersahen aber das Geldstück. Nach einem fröhlichem Petri Heil gingen wir unserer Wege. Auf der anderen Seite der Brücke stand eine Hochzeitsgesellschaft, die Braut wurde gerade photographiert. Ich begab mich zu der Gruppe und fragte, nachdem ich meine Glückwünsche überbracht hatte, ob ich das junge Glück ablichten dürfe, was mir leider verwehrt wurde. An diesem Tag landete gerade der türkische Präsident in Deutschland, und da es sich um eine türkische Hochzeitsgesellschaft handelte ...

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Nun weiter des Weges. In der Fußgängerzone spielte ein talentierter Geiger schöne Melodien, aber die Passanten hatten anscheinend nicht die Muße, ihm zuzuhören. Auf der Bank neben der Rathauseingangstür aß eine Dame einen kleinen Imbiss und ich gesellte mich dazu. Etwas verwundert schaute sie zu, was ich nun vorhatte. Mitten auf den Weg legte ich das Hufeisen. Viele, nein noch mehr Menschen sahen es nicht. Einige traten darauf und bemerkten es dennoch nicht??? Ein Teenager sah es zumindest, hob es aber trotzdem nicht auf. Ein Hufeisen in der Fußgängerzone ist aber doch eben so selten wie das herumlaufende Glücksschwein oder das sich durch die Gehwegplatten bohrende vierblättrige Kleeblatt. Marienkäfer oder Schornsteinfeger könnten schon mal häufiger gesehen werden, ging es mir durch den Kopf.

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Endlich, nach gefühlter Ewigkeit, kam ein Geschwisterpärchen und trat auf das Eisen. Er wunderte sich sehr, hob das Eisen aber auf und freute sich über sein Glück. Auf dem weiteren Weg begegnete ich zwei jungen Pärchen, die auf einer Städtereise gerade aus der Marienkirche traten. Sie kannten die Geschichte von dem (Bronze-)Teufel nicht, der auf dem Stein neben der Kirche sitzt. Auf die Geschichte hingewiesen, ergriffen die beiden Männer sofort die Chance und den Teufel bei den Hörnern, um ihr Glückspotential zu erhöhen.

Foto: (c) Peng!Foto: (c) Peng!Wenige Schritte weiter auf dem Marktplatz, der weitgehend menschenleer war, hockte eine Dame mit blauem Mantel unter dem Pranger. Sie fütterte einige Tauben, darunter eine, die sehr mager und zerzaust aussah. Da stellte sich mir die Frage, wer denn hier glücklicher sei, Tier oder Mensch. Wahrscheinlich alle vier. Das Wunderbare an solchen Menschen, dass sie mit offenen Augen durch die Stadt gehen und solche kleinen Dinge emphatisch wahrnehmen, sich und auch mal den Tauben, wie in diesem Fall, die Zeit schenken, die es braucht!

Besonders glücklich erschien mir die Crew der Filmemacherin Sandra Trostel, die auf dem diesjährigen Hamburger Filmfest ihr neuestes Werk präsentierte. Nachdem ich einen Glückspfennig lange vor dem Beginn der Veranstaltung auf dem roten Teppich ablegte, vergingen 40 Minuten, in denen nahezu alle Besucher diesen übersahen. Nur eine Redakteurin des Senders 3sat zeigte Interesse, dies aber vor allem, weil Sie mich ansprach und ich meine Aktion erklärte.

Lilli Thalgott und Sohn Izzy, Foto: (c) Peng!Lilli Thalgott und Sohn Izzy, Foto: (c) Peng!Erst als sich die gesamte Crew für das obligatorische Pressefoto auf dem roten Teppich zusammenfand, entdeckte die Kamerafrau Lilli Thalgott den Glückspfennig und schenkte ihn ihrem Sohn Izzy. Die anschließende Sichtung des Filmes, „All Creatures Welcome – a utopian documentary about the digital age“ ließ nicht nur bei mir Glücksgefühle aufkommen. Ein Einblick in eine Community, die bisher nicht zu sehen war, und eine Welt, nach der viele Sehnsucht verspüren. Unbedingt ansehen, auch auf den diesjährigen Nordischen Filmtagen zu Lübeck!!! Aber so ist das mit dem Glück. Vielleicht wachsen dort, wo wir Rosen erwarten, Narzissen, und wo Narzissen wachsen sollten, wachsen Tausendschönchen.

Vielleicht ist eine Möglichkeit, etwas von dem wunderbaren Gefühl des Glücks zu erhaschen (nicht das Kiffen), seine Erwartungen fallen zu lassen und auch nichts zu befürchten. Einfach den Moment zu genießen. Ich wünsche allen das eine, gerne auch das große Glück – Glück und Freiheit! Vor allem denen, die einen der letzten Glückspfennige finden, die ich noch verteilen kann. Dazu ist es ratsam, etwas seltener auf das Smartphone zu schauen. Stattdessen auf den Weg – den Mensch geht.

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Vielen Dank an alle unverhofft Beteiligten! Leider sind durch die neuen Gesetze zum Schutz der Persönlichkeit die Möglichkeiten doch recht eingeschränkt. Alle nicht unkenntlich gemachten Personen haben der Veröffentlichung zugestimmt, wofür ich mich herzlich bedanke! Aufgrund solcher Gesetze wird die Streetphotography unterbunden, und das trotz der Gesichtserkennung durch die immer zahlreicher angebrachten Überwachungskameras und den überhandnehmenden Handygebrauch, der die Gesetzeslage ad absurdum führt. Die Politiker scheinen eben sehr beschränkt zu sein – in vielerlei Hinsicht.


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