Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

MuK Lübeck
Große Sinfonik im ersten Saisonkonzert der Lübecker Philharmoniker

Stefan Vladar, Chef des Philharmonischen Orchesters Lübeck, hatte sich zu Beginn der Saison 23/24 ein großes Programm vorgenommen.

Zwei Werke waren es nur, aber zwei von herausstechender Bedeutung. Das eine, Wolfgang Amadeus Mozarts KV 551, 1788 komponiert, war seine 41. Sinfonie und seine letzte dieser Gattung. Sie trägt den Namen „Jupiter“-Sinfonie und gilt als ein Spitzenwerk klassischer Wiener Sinfonik. Der anspruchsvolle Name stammt nicht vom Komponisten selbst, war allerdings bereits kurz nach Mozarts Tod im Jahr 1791 aufgetaucht - und blieb bis heute sein Name. Es wurde zugleich seine letzte und der Höhepunkt seiner Werke dieser Gattung.

Das andere war eine Komposition von Richard Strauss, „Ein Heldenleben“ betitelt und sehr selten aufgeführt. Der Grund dafür ist simpel. Strauss verlangt ein üppig besetztes Orchester mit 60 Streichern, 16 Holzbläsern und allein acht Hörnern, dazu vier Trompeten, drei Posaunen und zwei Tuben, dazu zwei Harfen und für das Schlagwerk fünf Spieler.

Zu Beginn des Konzertes war also die letzte Sinfonie Mozarts zu erleben, in der die Nachwelt den Charakter Jupiters, des griechischen Hauptgottes, wiederzuerkennen meinte. Er steht für Kraft und Weisheit, zwei Attribute, die zumindest die Ecksätze zeichnen. Deshalb wohl forderte Vladar anfangs ein recht schnelles Spiel, das zunächst hastig wirkte. Schnell fand er zurück, achtete auf starke dynamische Akzente und spannungsvolle Generalpausen, die von einem starken Ausdruckswillen zeugten. Mit einem weitausladenden Thema beginnt der zweite Satz, ein Andante cantabile. Wunderbar geschlossen trugen die Musiker es vor, um dann dem Menuetto Raum zu geben, dem beliebten Dreier der Zeit. Schwungvoll erklingt das erste Thema mit seinen charakteristischen Halbtonschritten, die auch das Thema des Trioteils kennzeichnen. Über den Finalsatz im Molto allegro ist schon viel geschrieben worden. Seine Mischung von Sonatensatz und Fuge, die Hauptformen der Klassik und des Barocks, auch die thematische Verknüpfung mit den vorherigen Sätzen zeugen von Mozarts Genialität, eben seiner göttlichen Weisheit. Das Orchester reagierte großartig auf den Dirigenten.

Stefan Vladar, Foto: (c) Olaf MalzahnStefan Vladar, Foto: (c) Olaf Malzahn

In der Mozart-Sinfonie ging es also mit überschaubarer Besetzung los, so wie eben die Sinfonien der Wiener Klassik gespielt wurden und werden. Genauso überschaubar ist auch die Dauer von etwas über einer halben Stunde. Das folgende Werk aber gehörte zu den Symphonischen Dichtungen, eine Weiterentwicklung der orchestralen Musik. Die Romantik liebte, Sprache und Musik zu verbinden, ein Kennzeichen dieser Gattung. Allerdings sind die Werke nur dadurch mit der literarischen Vorlage verbunden, dass sie die Handlung oder den Charakter ins Musikalische transformieren.

Allein neun Werke hatte Richard Strauss dem Genre hinzufügt, die in der Zeit von 1888 bis 1915 entstanden. Seinen „Don Juan“ hört man oft, auch „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ oder seinen „Don Quixote“, fast ein Cello-Konzert. Aber „Ein Heldenleben“ ist aus den schon genannten Gründen selten zu hören. Dieses op. 40 des in München geborenen Komponisten wird als eine Selbstbiografie gedeutet, der Held wäre also der Komponist selbst. Mit einem wuchtigen Thema über fast vier Oktaven hebt es an. Hier im Montagskonzert zunächst mit kleinen Patzern bei den Bläsern. Die Unruhe verging schnell und der Hörer erlebte die dramatischen Steigerungen, die das Ringen mit der Materie schilderten wie die launischen Momente, in denen er Beckmesserei und Neider erfasste. Wer das Werk von Strauss genauer kannte, entdeckte im Gewebe Anspielungen auf frühere Werke, auch die auf andere Symphonische Dichtungen. Staunen machte auch der Dialogteil, der sich zwischen einer sehr individuell, fast artistisch geführten Solovioline, vom Konzertmeister Carlos Johnson mit großer Ruhe und Konzentration gespielt, und dem Tutti entspann.

Das Publikum zeigte sich begeistert über einen klaren, sehr inspiriert gebotenen Mozart und über den gewaltigen Klangrausch bei Richard Strauss‘ „Heldenleben“. Ihm war wohl klar, dass er solch ein gewaltiges, wirkungsvolles und gut interpretiertes Werk für lange Zeit nicht wieder erleben wird.

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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