Mulo Francel
The Sax & The Sea

Die Idee zu Mulo Francels neuem Album wurde abseits des Ozeans geboren, in der Würzburger Residenz. Am Ende der Pause eines Konzerts mit Quadro Nuevo sollte Mulo Francel statt eines Gongs mit seinem Saxophon den Fortgang des Konzerts signalisieren. Und als er im gewaltigen Treppenhaus in sein Tenor blies, hatte er den Eindruck, „mitten in der Weite des Ozeans zu schwimmen“. Wie dazu geschaffen prangte über ihm das Deckengemälde von Tiepolo, ein Porträt der Kontinente, eine gemalte Weltreise.

Reisen und das Wasser, von letzterem besonders die Meere sind Begrifflichkeiten, die Mulo Francel eng mit seiner Musik wie mit seiner Person verbindet. So entstanden die 19 Solowerke seiner neuen CD an 19 unterschiedlichen Orten dieser Welt, die für Francel in einer mehr oder weniger besonderen Weise mit dem fließenden Element verbunden sind. Die Aufnahmen erfolgten direkt vor Ort, sei es in einer offenen Höhle am Roten Meer, am Lido in Venedig oder im Nieblumer Friesendom. Da sind dann nur das Saxophon, immer eine andere Akustik und ab und zu ein paar Nebengeräusche (Grillenzirpen, Meeresrauschen, Stimmengewirr, um nur ein paar wenige zu nennen).

Das bringt mich vor dem Inhalt zur Aufnahmequalität: Denn die ist schlicht hervorragend: Mit einer guten Anlage (oder zumindest einem guten Kopfhörer) haben Sie das Gefühl, der Ausnahmesaxophonist steht gerade ein paar Schritte vor Ihnen und hat dann gleich seinen Spielort mitgebracht. Da geht der Klang nicht nur durch den Raum in die Ohren, sondern erfasst den ganzen Körper. Als es noch keine CDs gab, waren es bestimmte Schallplatten, mittels der man die Qualität einer guten Anlage erkennen konnte. Entsprechend dazu würde ich diese CD als Referenz-CD bezeichnen.

Über drei Jahre hinweg hat Mulo Francel an der Komposition und Konzeption der Stücke gearbeitet – angeregt von Orten am Wasser, ihrer Stimmung und seinen Erinnerungen an sie. So vielfältig wie die Aufnahmeorte sind auch die Kompositionen. Der saxophone Globetrotter hatte den Anspruch, das Stück jeweils dem Ort ebenso wie der Situation anzupassen. Das Ergebnis sind unterschiedlichste Qualitäten (jedoch nicht im Sinne von gut oder schlecht, sondern von verschieden entwickelt, gespielt), manchmal gewohnt melodiös, manchmal nicht unbedingt sofort eingängige Tonfolgen, die erst bei näherem und mehrfachem Zuhören wirken und in tiefere Schichten eindringen.

Alles ohne zusätzliche Technik und gerade das macht für mich The Sax & The Sea so gut. Ich habe zuletzt mehrere allesamt gute CDs mit Saxophon Solo gehört – eigentlich verwunderlich, denn gerade (das lineare) Saxophon solo zu spielen ist eine große Herausforderung. Francels neuestes Werk ist für mich das erste, das den Raum akustisch wie kompositorisch miteinbezieht. Es ist das gleichzeitig „Einfachste“ wie Vielfältigste und eine neue faszinierende Entdeckung für Ohren und Herz.

Anspieltips:

1 - Tiepolo

3 - Fish in Water

8 - Solo für Julie

Mulo Francel: The Sax & The Sea, Fine Music, Oktober 2014, Amazon


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