1980 - von Pina Bausch, Foto: (c) Rahi Revani

Hamburger Kulturfabrik Kampnagel
Internationaler zeitgenössischer Tanz der Extraklasse

Liebhabern des modernen Gegenwartstanzes steht ein volles Programm internationaler Tanz-Ensembles der Spitzenklasse in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel ins Haus. Im nächsten halben Jahr reihen sich die Höhepunkte der zeitgenössischen Tanzkunst aneinander.

Dabei wird sowohl ein retrospektiver Blick auf die Anfänge des modernen Tanztheaters (Pina Bausch und William Forsythe) als auch auf Perspektiven geworfen, die neue Stars der Tanzszene (José Vidal, Damien Jalet und Serge Aimé Coulibaly) in der Jetztzeit entwickeln.

Der Einstieg in die Highlights der Saison ist der Grande Dame des Tanztheaters Pina Bausch gewidmet. Die 2009 verstorbene Ausnahme-Choreografin und ihr Wuppertaler Tanztheater galten als eine der wichtigsten Erscheinungen der Szene und haben weltweit Tanzgeschichte geschrieben. Auf Kampnagel ist ihr Stück „1980“ zu sehen, welches die Großchoreografin im Jahr des Todes ihres langjährigen Lebens- und künstlerischen Partners Ralf Borzig gemeinsam mit ihrem ebenso verrückt-genialen neuen Partner Peter Pabst inszenierte. Gemeinsam schuf dieses einzigartige Choreografen-Paar danach insgesamt 24 Stücke. Das erste war eben jenes Stück „1980“, das die Trauer und Ängste nach dem Tod des Freundes verarbeitete.

1980 - von Pina Bausch, Foto: (c) Oliver Look 1980 - von Pina Bausch, Foto: (c) Oliver Look

Auf sattgrünem Rasen wird mit allen Ausdrucksmitteln und Motiven gearbeitet, die die Einzigartigkeit der künstlerischen Kreativität Pina Bausch begründen: Wiederholungen, Ein- und Zwei-Personen-Szenen, typische Hand- und Fußbewegungsrituale sowie große Bilder voller Humor, Sehnsucht, Melancholie und Freude. Ein großartiges Tanz-Ereignis, das aber Sitzfleisch von den Zuschauern erfordert, denn das Stück dauert dreieinhalb Stunden. Ein absolutes Muss für den Tanz-Enthusiasten!
Do., 24.01. bis So., 27.01.2019 jeweils 20 Uhr.

Serge Aimé Coulibaly: Kirina, Foto: (c) Philippe Magoni Serge Aimé Coulibaly: Kirina, Foto: (c) Philippe Magoni

Der nächste Höhepunkt folgt am 14.02.2019 mit dem Tanzabend „Kirina“ von Serge Aimé Coulibaly aus Burkina Faso und der aus Mali stammenden international berühmten Musikerin Rokia Traoré. Das westafrikanische Stück geht auf eine Heldenschlacht aus dem 13. Jahrhundert zwischen dem Helden Suiata und dem tyrannischen Herrscher zurück, wird aber aktualisiert durch das Leitmotiv der Jetztzeit, der Fluchtbewegungen der Neuzeit. Kirina ist politisches Tanztheater in mythischer Verkleidung, eine eingängige, geradlinige, oft akrobatische Mischung mit raumgreifenden Sprüngen als Kombination aus westlicher Tanzkunst mit traditionellem afrikanischen Tanz. Ein atemberaubendes Schauspiel, das schweißtreibenden, rituellen und ekstatischen Tanz mit treibender Musik und einer beschwörenden Erzählung verknüpft. Ein weiterer Beleg, warum Coulibaly zu einer der wichtigsten tänzerischen Größen Westafrikas gezählt wird.
Do., 14.02. bis Sa., 16.02.2019, jeweils 20 Uhr.

Omphalos, Foto: (c) Daniel LugoOmphalos, Foto: (c) Daniel Lugo

Es folgt im März der belgisch-französische Tänzer, Choreograf und Regisseur Damien Jalet, der seine Karriere bei der belgischen Tanz-Ikone Wim Vandekeybus startete und später für die Compagnien von Akram Khan und Sasha Waltz tanzte. Als Choreograf erntete er erste Erfolge auch auf Kampnagel durch Großprojekte mit Sidi Larbi Cherkaoui und Erna Òmarsdóttir. Jetzt ist er erstmals mit einer Eigenproduktion, dem Stück „Omphalos“ in Hamburg zu Gast. Die Choreografie ist eine Zusammenarbeit mit 20 Tänzer/innen aus Mexiko, des Production Center of Contemporary Dance (CEPRODAC) sowie dem japanischen Ausnahme-Musiker Ryuchi Sakamoto (Der letzte Kaiser von Bertolucci). Es geht um den Ursprung Mexikos aus fast vergessenen alt-europäischen und indigenen Mythen und die Reflexion über das Menschsein und die Verortung menschlichen Lebens im Kosmos. Dabei bewegen sich die Tänzer/innen in einer riesigen Satellitenschüssel, welche für den Kosmos und die Zukunft steht.
Do., 14.03. bis Sa., 16.03.2019, jeweils 20 Uhr.

William Forsythe: A quiet Evening of Dance, Foto: Bill CooperWilliam Forsythe: A quiet Evening of Dance, Foto: Bill Cooper

Mit William Forsythe kommt ein weiterer Erneuerer der modernen Tanzkunst neben Pina Bausch auf die große Tanzbühne von Kampnagel mit dem Stück „A quiet Evening of Dance“. Mit seiner am klassischen Ballett orientierten, streng mathematischen, aber bildhaft-sinnlichen Tanzsprache war Forsythe einer der wichtigsten Vertreter des Ballett Modern. Zwischen 2005 und 2015 leitete er die Forsythe-Company in Frankfurt und Hellerau. Erstmals seit der Auflösung seiner Company 2015 hat er für den aktuellen Tanzabend sieben seiner engsten ehemaligen Tänzer/innen zusammengebracht, und auf der Grundlage zweier bestehender Choreografien – dem unvergesslichen Duo 2015 und Catalogue Second Edition – zwei neue Arbeiten entwickelt. Witzig, stringent und unberechenbar getanzt, belebt Forsythe nach wie vor das Medium Ballett und zeigt, wie moderne Tanzkunst voller Dynamik im 21. Jahrhundert aussehen kann.
Do., 28.03. bis Sa., 30.03.2019, jeweils 20 Uhr.

Sasha Waltz: Kreatur, Foto: (c) Sebastian BoleschSasha Waltz: Kreatur, Foto: (c) Sebastian Bolesch

Im Mai folgt die Berliner Star-Choreografin Sasha Waltz mit ihrer neuesten Inszenierung „Kreatur“, die im Juni des vergangenen Jahres im Berliner Radialsystem Premiere feierte. Dabei kooperierte sie erstmals mit der Künstlerin und Modedesignerin Iris van Herpen, dem Licht-Designer Urs Schönebaum und dem Soundwalk Collective. So entsteht ein Austausch zwischen traditionellem Handwerk und innovativer digitaler Technologie, die zu diesem besonderen visionären Kunststück führt. Die 14 ausdrucksstarken Tänzer/innen sind gekleidet in fein gewebte, silberwollene, skulpturale Hüllen, die in ein metaphysisches Lichtdesign und eine genreübergreifende Klangkomposition eintauchen. Die meisterhaft choreografierte Arbeit geht unter die Haut, begeistert das Auge und präsentiert Tanzkunst voller wunderbar gelöster Energie, Tanzlaune und Schönheit. Auf dieser Basis erforscht Sasha Waltz das Phänomen des Seins vor dem aktuellen Hintergrund einer zerrissenen Gesellschaft: Macht und Ohnmacht, Dominanz und Schwäche, Freiheit und Kontrolle, Gemeinschaft und Isolation.
Do., 02.05. bis So., 05.05.2019, jeweils 20 Uhr.

Emergenz, Foto: (c) Fabian CamberoEmergenz, Foto: (c) Fabian Cambero

Zum Ende der Saison kommt mit dem chilenischen Choreografen und Spezialisten für Massenchoreografien José Vidal und seiner Company Cia aus Santiago de Chile ein weiterer aufstrebender Star der jungen Tanzszene erneut nach Hamburg. Zuvor war bereits seine international gefeierte Erfolgsproduktion Rito de Primavera, eine Neuinterpretation von Strawinskys Frühlingsopfer als Techno-Rave und zeitgenössischer Feier des Kollektiven zu sehen. Diesmal zeigt er eine monumentale Choreografie aus 30 lokalen Tänzer/innen, 50 Hamburger Laien und 20 Performer/innen seiner Company CIA. Unterlegt ist die Produktion mit einem eigens geschaffenen Elektrosoundtrack. Mit „Emergenz“ nähert sich Vidal einmal mehr den Hauptfragen seines choreografischen Schaffens: nach der Bildung sozialer Strukturen und dem Entstehen von Gemeinschaften.
Mi., 05.06. bis Sa., 08.06.2019, jeweils 20 Uhr.

Mehr Infos und Tickets unter Kampnagel.de und Telefon: 040-27094949.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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