Museum Zeitz Mocca, Foto: (c) Iwan Baan

Eine technische Meisterleistung beschert Kapstadt einen grandiosen Tempel für Gegenwartskunst
Zeitz Mocaa - vom Getreidesilo zur Kunst-Kathedrale

Im September letzten Jahres eröffnete mit dem Zeitz Mocaa das erste, aber besonders spektakuläre Museum für zeitgenössische Kunst in Afrika seine Tore.

Es befindet sich in einer der Hauptattraktionen der südafrikanischen Metropole am Kap, dem Shopping– und Vergnügungsviertel "Waterfront", der man neben dem Konsum und Kommerz jetzt die Kunst und Kultur hinzugefügt hat. Bei meiner kürzlichen Reise nach Kapstadt konnte ich den umgebauten Getreidespeicher und die darin ausgestellte afrikanische Kunst begutachten.

Das Atrium bei Nacht, Foto: (c) Iwan BaanDas Atrium bei Nacht, Foto: (c) Iwan Baan

Noch bis 2001 diente der riesige graue Klotz aus 42 jeweils 33 Meter hohen Silotürmen den weißen Siedlern am Kap der guten Hoffnung als Getreidespeicher. Durch eine technologische und architektonische Meisterleistung wurde aus der maroden Industriearchitektur ein Museum geschält, das weltweit seinesgleichen sucht. Mit speziell entwickelten Maschinen wurden die Betonsilos aufgesägt, (als Schnittmuster diente die Form des Maiskorns), mit gläsernen Fahrstühlen bestückt und in eine Kathedrale der Kunst umgewandelt.

Verantwortlich dafür war der englische Architekt Thomas Heatherwick, der dem deutschen Sammler und ehemaligen Puma-Manager Jochen Zeitz damit die Möglichkeit schuf, seine einmalige Sammlung von afrikanischer Gegenwartskunst öffentlich auszustellen. Jahrelang war der 54-jährige Zeitz mit seinem Kurator Mark Coetzee auf der Suche nach einem geeigneten Ort, seine in Jahren gesammelte Kunst aus Afrika zu präsentieren. Sie schauten sich Johannesburg, Nairobi und Bamako in Mali an, aber entschieden sich schlussendlich für den Hafen von Kapstadt, wo jährlich bis zu 20 Millionen Touristen zu den Attraktionen am südlichen Ende Afrikas strömen.

Jochen ZeitzJochen ZeitzIm Alter von 30 Jahren war er der jüngste Vorstandsvorsitzende eines deutschen Unternehmens, des Sportartikelherstellers Puma. Er modelte das Unternehmen zum globalen Lifestyle-Unternehmen um und verließ nach 19 Jahren mit jeder Menge Erfahrungen und Millionen die Firma. Sein Geld investierte er in Kunst. Heute ist Zeitz wohl die weltweit einflussreichste Person, wenn es um afrikanische Gegenwartskunst geht. Sein Ziel ist es einerseits, der afrikanischen Kunst ihren verdienten Status in der Welt endlich zukommen zu lassen, den sie verdient, aber andererseits Afrika auch ein Museum zu bescheren, das mit dem Guggenheim in Bilbao oder der Tate Modern in London in einem Atemzug genannt wird.

Nach meiner Einschätzung ist dieser Plan eindeutig geglückt. Schon beim Betreten dieses gigantischen Kunsttempels wird man durch die Leichtigkeit der Eingangshalle ziemlich überwältigt. Draußen wuchtig und grau, begeistert die Kathedralen-artige Architektur im Innern mit ihren wie Orgelpfeifen aufgeschnittenen Silos und Schächten, die in den Himmel ragen. Gläserne Aufzüge, Wendeltreppen und eine riesige Drachenfigur im Foyer machen einen fast schwindelig. Kühl, elegant und leicht wirkt die Konstruktion, vielschichtig, innovativ und neu kommen die ausgestellten Kunstwerke aus allen Ecken des schwarzen Kontinents daher.

Dabei handelt es sich nicht mehr, wie in früheren, kolonialen Zeiten um folkloristische Werke, sondern um eigenständige afrikanische Positionen aktueller Kunst. Es gibt viel Fotografie, Videos, aber auch herausragende Malerei, Skulptur und Installationen zu sehen. Neben den bekannten Namen Afrikas, die auch schon in Kassel oder Venedig aufgetaucht sind, wie der Südafrikaner William Kentridge oder Kudzanai Chiurai aus Simbabwe, kann man viele neue Namen entdecken, die sich sowohl mit altbekannten Themen wie Kolonialzeit, Sklaverei, Krieg und Unterdrückung, aber auch mit modernen Ansätzen wie Macht, Autorität, Sexualität, Kitsch und Kommerz auseinandersetzen.

Nandipha Mntambo, Foto: Holger KistenmacherNandipha Mntambo, Foto: Holger Kistenmacher

So schneidert zum Beispiel Nandipha Mntambo aus Swasiland aus Kuhfellen weibliche Roben und setzt sie im Video im gespielten Stierkampf ein. Performance und Mode vereinen sich zu Film und Installation – großartig. Ein großer Teil der Ausstellung sind großformatige Fotografien, die sich mit der westlichen Sichtweise auf Afrika auseinandersetzen: Diktatoren und die Unterdrückung, der Dschungel und die Waffen, die Armut und die Masken. Das kommt monströs und absurd daher, ist aber herrlich komisch und hält dem weißen Klischee den Spiegel vor.

Für Reisende ans Kap der guten Hoffnung ist das Zeitz Mocaa ein absoluter neuer Fixpunkt auf der Palette der Sehenswürdigkeiten. Unbedingt anschauen rät Holger Kistenmacher.

https://zeitzmocaa.museum

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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