Im letzten Konzert der Lübecker Philharmoniker (24./25.11.24), diesmal von dem stellvertretenden GMD Takahiro Nagasaki geleitet, war der erste Teil der Querflöte gewidmet. Lange Zeit schon wurde ihr nicht mehr so viel Aufmerksamkeit gezollt. Warum eigentlich, gehört sie doch schon seit den Anfängen der Orchestermusik im Barock zu einem der unabdingbaren Instrumente?
Ein Werk des Schweizers Frank Martin war ausgewählt, der in dieser Saison in drei Programmen zu seinem 50. Todestag im November 1974 geehrt wird. Es erklang seine „Ballade für Flöte, Streichorchester und Klavier“, 1939 zunächst als Werk nur für Flöte und Klavier entstanden. Zwei Jahre später erweiterte Martin es dann um ein Streichorchester, wobei das Klavier in einigen Partien weiterhin der wichtigste Partner des Soloinstrumentes blieb, so zum Beispiel gleich in dem ersten, ruhig erzählenden Abschnitt.
In dem klar gegliederten Werk, in dessen Mitte eine quasi kadenzierende Solopartie steht, nutzt der Komponist sehr farbig alle Register der Querflöte, im letzten, dem vierten Teil vor allem die sonore Tiefe, aus der sich dann aufbäumend das Finale entwickelt. Es ist ein gut aufzufassendes Werk, auch wenn die Melodik durch Arnolds Schönbergs 12-Ton-Technik beeinflusst ist, die aber nicht streng nachgeahmt wird.
Solist war der junge griechische Flötist Stathis Karapanos, der 2018 erst in Karlsruhe sein Diplom erworben hatte. Seitdem ist ihm eine vielseitige Karriere gelungen, die ihm u. a. 2020 den Leonard Bernstein Award des SHMF brachte. Als Pianistin wirkte Magda Amara mit, eine Meisterschülerin von Stefan Vladar. Im Januar 25 wird sie wie hier in einem der Sonderkonzerte zu Weinbergs Oper „Die Passagierin“ den Klavierpart übernehmen.
Im nächsten Programmbeitrag, Wolfgang Amadeus Mozarts 2. Flötenkonzert in D-Dur (KV 314), spürte man besonders intensiv, wie Solist und Orchester musikalisch verbunden waren. Feinsinnig konnte Karapanos gestalten, während Nagasaki ohne Drängen und Hast die Philharmoniker leitete. Nur eine Oboe und zwei Hörner mussten die Besetzung gegenüber dem ersten Stück erweitern. Nach dem munteren Kopfsatz klang der mittlere, ein Andante ma non troppo, wunderbar ruhig mit seinen tiefen Streicherfarben. Er führte zu einer wohllautend ausgebreiteten Kadenz. Großen Beifall gab es nach dem lebendigen finalen Allegro, in dem sich die Hörner konzertant einmischten. Der Solist dankte mit einer sehr lebhaften und virtuosen Zugabe.
Den zweiten Teil des Konzertes beherrschte ein einziges, aber desto gewichtigeres Werk, die Sinfonische Dichtung „Pelleas und Melisande“ von Arnold Schönberg. 1902/03 hatte der seine sehr dichte Partitur für über 90 Musiker erarbeitet, die dann zwei Jahr später in Wien uraufgeführt wurde. Dieses kompakte Werk „in einem nicht unterbrochenen Satz“, wie Schönberg selbst es erklärte, dauert dreiviertel Stunden und malt in expressiver Weise, aber noch in spätromantisch farbiger Harmonik die Lebensgefühle der drei Protagonisten, der Melisande und der Brüder Golo und Pelleas. Sie stammen aus einem Eifersuchtsdrama von Maurice Maeterlinck, dessen erregender Stoff mehrere bedeutende Komponisten zu großen Werken angeregt hat. Neben Schönberg gehört Jean Sibelius dazu, Claude Debussy oder Gabriel Fauré.
Die Wiedergabe in der MuK wurde ein packendes Ereignis, denn die sehr differenzierte, zugleich üppige Gestaltung fordert jedes Orchester heraus, vor allem aber eines, das stark erweitert werden musste. Dass Takahiro Nagasaki dieses gewaltige Werk sogar auswendig dirigierte, ist wirklich bewundernswert und brachte ihm und dem großen Ensemble langen Applaus.