Herbert Blomstedt in der Lübecker Musik- und Kongresshalle, Foto: (c) Olaf Malzahn

Herbert Blomstedt dirigiert das dritte Saisonkonzert der Elbphilharmoniker
Welch ein Wohlklang!

Herbert Blomstedt, der inzwischen 91-Jährige, ist ein Altvertrauter. Konzertabende mit ihm besitzen deshalb ein Gefühl von Bekanntem, dennoch das des Ungewöhnlichen.

So war es für die Lübecker schon bei seinem letzten Auftritt im Januar dieses Jahres, bei dem er – wie auch jetzt – außergewöhnlich herzlich begrüßt und ebenso verabschiedet wurde. Beide Abende gehörten zu der stattlichen Reihe von Konzerten, die man mit ihm und den Elbphilharmonikern in Lübeck erlebt hatte. 1996 bis 1998 war er Chef des Orchesters und kam häufig zurück in Lübecks gute Klangstube, wie jetzt mit einem Programm, das immer wieder gern Gehörtes von Beethoven und Brahms vereinte.

Aber das allein kann nicht begründen, weshalb das Haus diesmal ausverkauft war. Selbst bei den Elbphilharmonikern ist das ungewöhnlich, wenn sie nicht im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals auftreten oder in „ihrer“ Heimstatt an der Elbe, wo sie die Werkfolge gleich an drei Tagen boten. Selbst Blomstedt kann es nicht gewesen sein, seine ungewöhnliche Regsamkeit oder sein besonderes Wesen. Er verkörpert das Uneitle, kann jedes Mal deutlich machten, dass er, der Dirigent, nur einen Anteil am Ablauf des Abends und der Interpretation haben kann, dass dagegen jeder Orchestermusiker für ihn wichtig ist.

Herbert Blomstedt, Foto: (c) Olaf MalzahnHerbert Blomstedt, Foto: (c) Olaf MalzahnEs müssen andere Gründe vorliegen, dass dieses Konzert so lockte. Seine beiden Programmteile, zwei Kompositionen, die zu den beliebtesten des klassisch-romantischen Repertoires gehören, haben sicher großen Anteil, noch mehr vielleicht die Erwartung, dass die Akustik in Lübecks MuK für solche Musik ein besonderes Erlebnis versprach. Das, was dann zu hören war, kann das nur bestätigen. Denn alle drei Partner, der Pianist Emanuel Ax, 1949 geboren, das Orchester und sein Dirigent, interpretierten Ludwig van Beethovens Fünftes Klavierkonzert in einer Art, die zurückhaltend oder kammermusikalisch zu umschreiben ist, dennoch in einer klanglichen Homogenität, die erstaunte und möglicherweise doch nicht die Erwartung erfüllte.

Schon die Art verwunderte, wie Ax auf die Tutti-Akkorde des Orchesters seine perlenden Klangpassagen folgen ließ. Das war nicht das, was die Tonart Es-Dur mit ihrer heroischen Anmutung erwarten ließ und wie der Hörer es aus anderen Interpretationen gewohnt ist. Nichts Energisches oder artistisch Äußeres verriet sich hier. Es war ein heimliches Nachhören des Ausgebreiteten, mit dem Beethoven seinerzeit überraschte. Blomstedt übernahm die Sicht von Ax, ließ die Orchesterexposition sehr durchsichtig und fein gewebt. Auch bei dem Wiedereintritt des Klaviers verlief alles in einer sehr bedachten Wiedergabe. Sie galt ganz dem Notentext und wirkte im Expressiven zurückgenommen und sogar ein Fortissimo nicht hart.

Zudem hat man die Streicher im Klang selten so homogen, so samtweich, durch die Hörner abgerundet erlebt, wo selbst die Holzbläser mit ihren charakteristischen Farben und die Trompeten mit ihrer Strahlkraft nichts Derbes hinzufügten. Beim zweiten Satz zahlte sich das besonders aus, konnte sich das feinsinnig Ariose unaufgeregt und edel entfalten. Im Finalsatz zeigte sich allerdings die Schwäche von Emanuel Ax‘ Haltung, die allzu kontrolliert den hervorbrechenden, brillanten Schwung in ein edles Musizieren verwandelte.

Herbert Blomstedt und die Elbphilharmoniker, Foto: (c) Olaf MalzahnHerbert Blomstedt und die Elbphilharmoniker, Foto: (c) Olaf Malzahn

Auch in Brahms‘ D-Dur-Sinfonie, seiner zweiten, bevorzugte Herbert Blomstedt beherrschte Tempi. Das hatte einen ähnlichen Effekt wie im Klavierkonzert. Die thematischen Erfindungen, die wie das Anfangsthema ins Alpenländische verweisen, und der naturhafte Klang, an dem vor allem das Horn teilhat, im Satz und im Solo (wunderbar gestaltet von Claudia Strenkert), hatten viel Zeit sich zu entwickeln und zu einem hinreißenden Klang zu verschmelzen. Blomstedt ließ die Gedanken sich ausströmen, gab dort nur mit den Händen einen kleinen Impuls oder verstärkte dort den Fluss der Melodik. All das bestätigte sein sicheres Gespür für Proportionen, für die emotionale Vielfalt und zugleich innere Ruhe, die der Sinfonie den Beinamen Pastorale beigetragen hat. Vor allem machte diese Interpretation deutlich, zu welch grandioser Klangfarbenkunst Brahms fähig war, der von manchem als spröde bezeichnet wird.

Wie schon nach dem ersten Teil dankte das Publikum den Ausführenden mit langem Applaus.

Fotos: (c) Olaf Malzahn.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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