Alan Gilbert, Foto: (c) Peter Hundert

Das zweite Konzert der Elbphilharmoniker in der MuK
Vielseitige Romantik

Mit herzlichem Applaus, wie einen alten Bekannten begrüßte das Lübecker Publikum nicht nur die Elbphilharmoniker, die zu ihrem zweiten Konzert in dieser Saison (13. Oktober 2018) in die MuK gekommen waren. Gleiches wiederfuhr auch Alan Gilbert, dem Dirigenten des Abends.

Bis 2015 war er für etliche Jahre Erster Gastdirigent bei ihnen und hatte eine Reihe von Programmen sehr eindringlich gestaltet. Im nächsten Jahr, zu Beginn der nächsten Saison, wird er dem Orchester als Chef verbunden sein. Dieses Programm war also ein Vorgeschmack auf das, was an Zusammenarbeit mit dem Klangkörper zu erwarten ist, zugleich war es eine gemeinsame Vorübung für eine Tournee nach China und Japan mit einem zumeist gleichen Angebot.

Das Orchester stand bei allem voll im Zentrum. Kein Virtuose in einem Solo-Konzert lenkte ab, zudem war es ganz der Romantik verschrieben, der Hochromantik bei Wagner, der späten bei Brahms und der endenden bei Mahler. Auch anderweitig war das Programm mit Raffinesse zusammengestellt, das im ersten Teil Wagner mit Mahler vereinte. Man weiß von Mahler, dass er von Wagner, ausdrücklich von seinem „Tristan“, begeistert war, ihn auch intensiv dirigiert hatte. Und auch zu Brahms bestand ein Bezug. Seine vierte Sinfonie wurde für den Hamburger zum sinfonischen Vermächtnis, so wie es für Mahler die 10. Sinfonie werden sollte, aber nur das „Adagio“ wurde.

Alle diese Werke stellten das Orchester vor eine Reihe besonderer Aufgaben. Mit dem Vorspiel für den ersten Aufzug zum „Lohengrin“ mussten vor allem die Streicher ihre Qualität beweisen. Sie dominieren mit fein verästeltem Klang und in einem großen Crescendo in dem lichten Klanggespinst, das sich in einem großen Crescendo entwickelt und wieder zu dem Pianissimo des Anfangs zurückfindet. Es ist eine höchst mystische Musik, die ihre Wirkung nicht verfehlte.

Gustav Mahler folgte, dessen 10. Sinfonie die „schwerste existentielle Krise seines Lebens“ spiegelt, wie der Mahler-Exeget Constantin Floros schreibt. Er begründet das damit, dass dessen Musik nach Mahlers eigenem Bekunden „gelebte Musik“ sei. Was Mahler bedrückte, war die innere Abwendung seiner Frau Alma, die ihm viel Kraft raubte. Die auf fünf Sätze angelegte Sinfonie war größtenteils nur skizziert. Allein der erste Satz, das Adagio, ist bis hin zur Instrumentierung fertig geworden und ganz in Mahlers Sinne aufführbar. So ist er im Schaffen dieses sinfonischen Großmeisters gleichzeitig dessen Abgesang. Er klingt in einzelnen Partien herbe, schwingt sich in einzelnen weit aus, wie in Einsamkeit, kammermusikalisch oft in der Struktur. Auffällig ist ein wiederkehrender Gedanke, der von den Bratschen im Unisono ausdrucksvoll vorgetragen wird. Dem Orchester gibt es eine Fülle von Aufgaben, die seine Vielseitigkeit und Klangschönheit bewiesen, der Violine, dem Cello, dem Fagott oder den Holzbläsern.

Beeindruckend dann auch der Abschluss mit der Brahms-Sinfonie. Alan Gilbert zeigte hier eine stark dynamische Auffassung, indem er kräftig und zupackend das Werk anging. Das betonte die Klarheit, die eher unromantische Seite des Hamburgers, seine starke konstruktive Begabung. Das war in der Interpretation nicht nur dem vierten Satz, der Passacaglia, vorbehalten. Gilbert zeigte es bereits an dem sehr energiegeladenen Anfang, bei dem er die Zweitonmotive zu einer großen Einheit formte. Im zweiten Satz überraschte einmal wieder die Farbigkeit des brahmsschen Satzes, bei dem die Hornistin Claudia Strenkert hervorstach. Es war eine Wiedergabe, die nicht zuletzt durch das frappierende Paukenspiel von Stephan Cürlis begeisterte, der wieder einmal keine Noten benötigte. Seine Spielintensität ließ verfolgen, wie raffiniert Brahms dieses Instrument einsetzte und war zudem Beweis dafür, wie intensiv sich die Musiker mit der Musik auseinandersetzten.

Langer Beifall vom Publikum, aber auch viel Beifall des Dirigenten, der damit die Leistung und den Einsatz der Musiker würdigte.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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