Wiglaf Droste, Foto: Axel Martens

Wiglaf Droste liest im Filmhaus
Der Papst und andere Muttersöhnchen unter Satire-Beschuss

Über eine Lesung von Wiglaf Droste zu schreiben gehört vielleicht zu den größten Herausforderungen, die einem Nachwuchsjournalisten auf dem Weg begegnen können. Egal, was man schreibt – es scheint nie dem gerecht werden zu können, was man am Abend zuvor vom Herrn Droste gehört hat. Das ist betrüblich, denn die Vorstellung am 5. Dezember 2009 im Filmhaus verdient besondere Würdigung.

Wiglaf Droste ist einfach der Meister der Satire. Der polemischen ganz besonders. Mit seinem Talent im Umgang mit der deutschen Sprache kann kaum jemand mithalten. Ohne große Vorrede setzt er sich am Samstagabend an den Tisch, der etwas einsam auf der großen Bühne im Saal 2 des Filmhauses steht. Auf dem Tisch verteilt liegen einige Bücher und eine Sammlung loser Blätter. Droste besieht sich das Material, entscheidet sich für ein Buch und beginnt seine Lesung mit einem Abschnitt aus dem „Sparadies der Friseure“. Droste deckt schonungslos die Dummheiten auf, zu denen Menschen fähig sind, wenn sie mit der Sprache hantieren auf der Suche nach einem tollen Namen für ihren Friseursalon: Hair damit, Hair Force One, Kopfsache, McCut, Haarchitekt, Haarlekin, Cutastrophe, Head Hunter, Queerschnitt, Vier Haareszeiten, Haireinspaziert, Haarakiri, Kaiserschnitt – Droste verliest eine unglaublich lange Liste von ausgesprochen albernen Wortkreationen. Das Publikum kommt aus dem Lachen nicht mehr raus.

Damit ist ein Abend voller Bosheiten gegen alles und jeden eingeläutet. Es ist erstaunlich, dass Wiglaf Droste noch immer unter uns weilt. Nach seiner schriftlichen Attacke auf Rheinsberger Gerüstbauer (ein Schild an ihrem Gerüst: „Der Gerüstbauer ist ein Irrtum der Evolution“) war das nicht mehr selbstverständlich. Seine zynischen Bemerkungen über allerlei Mitmenschen treffen leider immer wieder den Nagel auf den Kopf. Die allgegenwärtigen Weihnachtsmärkte und ihre Besucher sind Droste auch nicht entgangen: Unlängst hatte er einen Herrn dort gesehen, der sich einen „Pizza-Schlips“ aufs Hemd gebrochen hatte, nur ein Lebkuchen-Herz mit der Aufschrift „Muttis Bester“ war noch dazwischen. Das sind Momente, in denen schallendes Gelächter den Saal erfüllt.

Foto: © Stephanie GerlichFoto: © Stephanie GerlichWiglaf Doste selbst verzieht keine Miene. Er ist kein Comedian, der sich über die eigenen Witze noch auf die Schenkel klopft. Droste hat mit Comedy rein gar nichts zu tun. Den Mann darf man ernst nehmen. Seine politischen Satiren über Silvana Koch-Mehrin, Guido Westerwelle, Karl-Theodor zu Guttenberg oder Silvio Berlusconi sind von einem beißenden Spott, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Den meisten ja vor Lachen, aber denen, die sich angesprochen fühlen dürfen, wohl eher vor Schmerz. Beliebte Zielscheibe des drostschen Verbalfeuers: Die Religion, besonders der Papst. Es ist ein (Weihnachts-)Fest, wie er seinen Text „Papst in der Post“ vorträgt (in Gänze zu finden im „Herrenzimmer“). Nicht viele trauen sich, Johannes Paul II. öffentlich mit „die alte polnische Reisekartoffel“ zu betiteln. Als er an die Stelle kommt, wo Gottes Frau bemerkt, dass Benedikt VIX. auf der Briefmarke ist, kann keiner mehr ernst bleiben: „Wenn da unten ein Mensch einen Brief verschicken will, dann muss er den Papst von hinten küssen. Stell dir das mal vor: Man muss den Papst tatsächlich persönlich ablecken. Auf der Rückseite, er will es so. Ist das nicht komisch? In Deutschland stehen die Leute in der Post und rufen: Leck mich am Papst!“

Droste ist wirklich ein Ketzer; falls es Gott gibt, hat er für ihn sicher einen besonderen Platz reserviert. Tucholsky und Kästner sitzen sicher auch dort. Christliche Ideologie nimmt er gern aufs Korn, um dann zu konstatieren „Wer glaubt, seine religiösen Gefühle seien verletzt, der hat Phantomschmerz.“ Doch Wiglaf Droste ist kein roher Klotz, der mit gemeinen Wörtern um sich wirft und Gift verspritzt. Seine Satiren sind Werke von feinster Sprachkunst. Seine Gedichte reimen sich, wo man es nicht erwartet – Wortspiele, die voller Poesie sind: „Liebste, teile mein Entzücken | Liebste, lass uns Rehe rücken.“ Und dann kriegt wieder ein Promi sein Fett weg: „Niemand ist der Wahrheit ferner | als Johannes Baptist Kerner.“ Auch die Rolle der Frau wird von Droste neu interpretiert. Das ist schon wieder richtig zärtlich, irgendwie liebevoll.

Das Publikum ist schlichtweg begeistert von Wiglaf Drostes Gemeinheiten, die so herrlich zynisch und voller Humor daherkommen. Mit einer Zugabe gibt es sich nicht zufrieden, mit rhythmischem Klatschen wird auch eine zweite eingefordert. Und gewährt. Schließlich ist es aber nach halb elf, Droste hat insgesamt über zwei Stunden gelesen – das muss für dieses Mal genügen. Der nächste Besuch ist hoffentlich nicht allzu fern.

(Wiglaf Droste ist am 15. Mai 2019 verstorben.)


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