Nach Aussage des Bereichs Denkmalpflege habe die Villa Hansestraße 2 keinen Denkmalwert, dem Abbruchantrag sei zuzustimmen gewesen. Wir halten dagegen:
Das Haus Hansestraße 2 ist der letzte materielle Zeuge für den „Start“ der Vorstadt St. Lorenz.
Bis 1864 war dauerhaftes Wohnen im Vorfeld der Tore nicht zugelassen. Der Bau des Bahnhofs der Lübeck-Büchener Eisenbahn 1851 leitete eine nach Westen gerichtete Stadterweiterung ein. Der neue Lindenplatz, westlich vor dem alten Alleen-Stern (heute „Lindenteller“) angelegt, sollte wegen des nahen Bahnhofs vor dem Holstentor ein repräsentatives Stadt-Eingangsfoyer bilden. Am Westrand des parkartigen Areals wurden die ersten freistehenden Villen gebaut. Erhalten ist davon bis heute allein Haus Hansestraße 2. Die Villa ist auf dem Stadtplan von 1872 bereits eingezeichnet und damit etwa 150 Jahre alt.
Blick auf den Lindenplatz mit Bismarck-Denkmal vor der Villa, 1950er Jahre
Das Haus Hansestraße 2 ist qualitativ herausragende Architektur der Zeit.
Es handelt sich um einen freistehenden, im Äußeren weitestgehend erhaltenen dreigeschossigen Kubus in spätklassizistischem Stil. Die stadtseitige Front entspricht mit Dreiachsigkeit, Symmetrie, rustiziertem Erdgeschoss und betonter Mitte dank der in ihrer Bedeutung abgestuften Fenstergrößen perfekt dem klassischen Fassadenschema. Die Gartenseite (nach Südwest gerichtet) ist ebenfalls dreiachsig, aber eher als Rückseite definiert. Ihr ist mittig ein Garteneingangsvestibül vorgelegt, zu dem seitlich eine kleine Treppe hinaufführt. Interessant an der Gartenseite sind die Fenster im 2. Obergeschoss mit pilasterförmigen Mittelpfosten, sicherlich Originale. Original auch das mittlere Fenster im 1. Obergeschoss mit hochgeschobenem, feststehendem Kreuz und dreigeteilten Flügeln mit originalen Beschlägen, in dieser Form traditionell üblich bis ins späte Biedermeier. Ansonsten sind die Fensterteilungen jüngeren Datums. Einzigartig auch der umlaufende „griechische“ Fries unter dem vorstehenden Zeltdach.
Die Gartenseite der spätklassizistischen Villa.
Die Denkmalpflege argumentiert: Das Innere sei begangen worden, man habe aber wegen der Einrichtung zu Billard-Stuben bzw. zu einer Spielothek keinen Denkmalwert sehen können. Dabei weiß jeder, dass erst eine kompetente Bauuntersuchung gültige Aussagen über erhaltene Innenstrukturen liefern kann. Abgesehen davon: Den entscheidenden Denkmalwert liefert hier nicht die lnnenstruktur (von der Reste möglicherweise verkleidet erhalten sind), sondern die exquisite spätklassizistische äußere Gestalt der Villa. Die Verweigerung der Unterschutz-Stellung dadurch zu begründen, dass „innen nichts erhalten“ sei, ist äußerst befremdlich angesichts der Tatsache, dass viele Häuser in der Altstadt, die mit öffentlichen Mitteln saniert wurden, innen nichts mehr bieten, dennoch wegen ihres Äußeren den vollen Denkmalschutz genießen.
Bereits vor Jahren führte die Denkmalpflege in richtiger Einschätzung die Villa als „einfaches Kulturdenkmal“ in den Akten. Gemäß novelliertem Denkmalschutzgesetz entfiel nach 2015 die Kategorie „einfach“. Bei der Evaluierung des Bestands „einfacher“ Denkmale entschied die Denkmalpflege, die Villa nicht ins neue Denkmalbuch zu übernehmen. Denkmalfachliche Kriterien können dabei nicht ausschlaggebend gewesen sein. Noch weniger überzeugt die nach erneuter Begehung jüngst ergangene Mitteilung, die Villa sei „nicht denkmalwert“.
Die BIRL fordert den Bereich Denkmalpflege auf, zu ihrer fachlichen Verantwortung zu stehen. Aus denkmalfachlicher Sicht gehört die Villa unbedingt unter Denkmalschutz!
Neubebauung zwischen ZOB und Lindenplatz: Stadtentwicklung im Lübecker Filz
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