Im dritten Band der Thriller-Reihe um das Ermittlerduo Knut Hansen und Helen Henning wird die Nordsee in „Blutebbe“ wieder einmal zur Mordsee.
Nach „Der Jungfrauenmacher“ und „Die Sandwitwe“ spielt die Handlung des vorliegenden Romans wieder in dem provenzalischen Küstendorf Valandsiel. Wieder treibt ein Serienmörder die beiden Ermittler Hansen und Henning sowie das LKA mit Johannes Maas mit einer perfiden Serie unter Zugzwang. Die okkulten Ritualmorde und die aufgefundenen Zeichen in Form von friesischen Runen lassen den Vater von Knut Hansen, Thor Hansen, ebenfalls sichtlich geschockt zurück. Ein früherer Unglücksfall an der Steilküste des malerischen, kleinen Ortes lässt sehr alte Erinnerungen an die Oberfläche kommen. Kann es sein, dass ein Mörder 20 Jahre später erneut eine Serie von brutalen Morden fortsetzt?
Derek Meister versteht es sehr gut, eine Kriminalreihe packend weiterzuerzählen. Das Interessante im neuen Band ist das Nachklingen vergangener Strukturen: Alte Handlungsspielräume werden wieder aufgegriffen, die Charaktere entwickeln sich munter menschlich weiter und Beziehungsebenen werden entweder weiter gestrickt oder enden mitunter in einem Showdown – konzeptionell hochklassig!
Die Charaktere und dieses Muster kann man ebenfalls in den historischen Kriminalromanen Meisters um den bärbeißigen Patrizier Rungholt beobachten – sie sind mitunter etwas skurril. Dennoch oder gerade deswegen sympathisiert man mit diesen manchmal egozentrischen und abgefahrenen Figuren recht schnell. Bei Knut Hansen fragt man sich manchmal, ob der kleine Junge vergessen hat, sein Cowboyoutfit aus der Kindheit abzulegen. Originell abgefahren halt. Helen Hennings Entwicklung befindet sich zudem eher in einer kleinen traumatischen Endlosschleife – jedenfalls bis zum zweiten Teil. Die junge Profilerin leidet noch immer unter posttraumatischen Albträumen und Ängsten und kann sich ihrem selbst auferlegten Schneckenhaus nicht entziehen.
„Blutebbe“ von Derek Meister ist, obwohl dritter Teil dieser Reihe, auch eigenständig gut zu lesen. Die beiden ersten Teile der Reihe waren schon sehr extrem, was die geschilderte Brutalität in einem Thriller angeht. In „Blutebbe“ geht Derek Meister noch einen Level weiter, und damit gehört der Roman nicht zu den „Gute-Nacht-Geschichten“, denn falls man diesen Thriller in den Abendstunden anfängt zu lesen, sollte man vielleicht zur Nacht „Bye-bye“ sagen. Spannend und packend erzählt Derek Meister(lich) diese Story, ohne dass Längen auftreten.
„Blutebbe“ ist ein großartiger Thriller, doch leider gibt es auch einige Chancen, die Derek Meister nicht wahrgenommen hat. Die Vergangenheit erreicht und überholt Helen Henning mit der Wucht eines Gewitters, das über sie einbricht. Diesen Handlungsstrang hätte ich separat in einem weiteren Roman verwendet – denn der "Gegenspieler" hat immens viel faszinierendes Potenzial, das leider nur ansatzweise ausgespielt wurde.
Weiterhin kann ich es mir für die nachfolgenden Bände nicht vorstellen, dass Valandsiel erneuter Spielplatz für brutale Serienmörder in Folgebänden sein könnte. Der Ort ist zu klein, um als Freizeitmörderpark für durchgeknallte Kriminelle herzuhalten.
„Blutebbe“ ist konsequent, brutal und schonungslos faszinierend. Diesmal gibt es für einige Charaktere ein „Ende“, das ziemlich überraschend kommt und den Weg für die kommende Entwicklung der Hauptfiguren ein Stück weiter öffnet. Auch hier in aller Konsequenz brillant dramaturgische Entwicklung.
Fazit
„Blutebbe“ von Derek Meister – der Titel hält, was er verspricht – ist ein großartiger Thriller. Für evtl. dramaturgische Nebenwirkungen ist bestens gesorgt – für menschliche Tragödien ebenfalls. Meisterlich hochklassig inszeniert – Zensur 1 – sitzen – weiterschreiben. Danke.
Derek Meister: Blutebbe, Blanvalet, 19. Juni 2017, 400 Seiten
Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen Prosa, Buchfink, Arno Adler, Langenkamp, maKULaTUR, Buchstabe und auf Amazon erhältlich.