Podiumsdiskussion: Vom Baltikum bis nach Eutin: Das Erbe der Reformation im Ostseeraum. Wege – Wirkungen – Wandlungen

Donnerstag, 15. März 2018, 19:30
Eutiner LandesbibliothekSchloßplatz 4, 23701 Eutin
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Mit dem Reformationsjubiläum 2017 endete am 31. Oktober letzten Jahres die Lutherdekade. Seit 2008 hatten zahlreiche nationale, oftmals auch internationale Veranstaltungen auf das 500-jährige Jubiläum des epochalen Thesenanschlags von Wittenberg durch Martin Luther vorbereitet, 2017 erlebten die Veranstaltungen dann unter großer Anteilnahme von Öffentlichkeit und Politik ihren Höhepunkt und Abschluss. Die Frage ist, was bleibt?

Und diese Frage ist in einem doppelten Sinne zu stellen: Was ist von der Reformation 1517 und ihren Folgen für die christlichen Kirchen in Deutschland und in Europa als kulturelles Erbe über die Zeitläufte erhalten geblieben, was ist in unserer Gegenwart nach wie vor an Erinnerungsorten sichtbar und in Gedächtniskulturen lebendig? Und was bleibt vom Reformationsjubiläum 2017 an humanistischen wie christlichen Impulsen, die spirituell und gesellschaftlich für die Zukunft aufgegriffen werden können, und das gerade in einer Zeit, in der das europäische Projekt der Integration ins Stocken zu geraten droht und die globalen Konflikte mehr und mehr eskalieren? 

Zumindest eine unmittelbare Folge der Lutherdekade ist inzwischen für die Menschen im Norden Deutschlands greifbar – der 31. Oktober wird fortan als Reformationstag zu einem gesetzlichen Feiertag erhoben. Freilich beantwortet diese politische Entscheidung keineswegs die beiden eben gestellten Kernfragen, denn es muss sich erst noch erweisen, wie dieser Tag inhaltlich zu füllen ist. Was bringt ein Feiertag außer einem (für die meisten) arbeitsfreien Tag, wenn man nicht genau weiß, warum er eigentlich besteht und was er mit ihrem Alltagsleben überhaupt zu tun hat? Es reicht nicht aus, alle 25, 50 oder 100 Jahre ein Ereignis mit großem Aufwand und vor allem mit viel Geld zu feiern, so lange in den Jahrzehnten dazwischen in der Erinnerung der Menschen kein Platz dafür bewahrt bleibt, so dass das Gedenken jedes Jahr wieder aktiviert werden kann.

Weihnachten und Ostern, so kommerzialisiert sie inzwischen sind, sind lebendige Feiertage, in denen selbst der Weihnachtsmann und der Osterhase nicht vollständig die dahinter steckenden abendländisch-christlichen Traditionen aus dem Erinnerungsarsenal der Zeitgenossen verdrängt haben. In diese Traditionslinien gehören auch Himmelfahrt und Pfingsten. Diese Feiertage sind außerdem wie der 1. Mai internationale Feiertage. Und ebenso hat jedes Land mindestens einen Nationalfeiertag. Mit einem Reformationstag scheint es dagegen in mancherlei Hinsicht schwieriger. Als per se kirchlicher Feiertag muss der Reformationstag zum einen für alle christlichen Kirchen im Lande Möglichkeiten der Würdigung anbieten, zum anderen aber auch ein nicht-christliches und erst recht nicht-amtskirchliches Potential besitzen, um die Menschen im Lande mitzunehmen. Daran ändert es nichts, dass es ein regionaler Feiertag sein wird, für den es in Bayern wohl definitiv keine parlamentarische Zustimmung geben wird. Die Politik und vor allem die Kirchen müssen diesen Tag deshalb in Stadt und Land mit Gehalt und Leben füllen.

Dazu gehört zentral, über 2017 hinaus die Erinnerung daran bewusst zu halten, dass sich die Reformation keineswegs auf den Thesenanschlag und das Luthertum, zumal im strengen Sinne Martin Luthers, reduzieren lässt. Die Lutherdekade hat das immer wieder deutlich gemacht, und auch die katholische Kirche hat sich unter dieser Voraussetzung dem Reformator und vor allem seinen Wirkungen für die europäische Christenheit weiter angenähert. Eine der großen internationalen Veranstaltungen, die sich mit dem Ereignis der Reformation und ihren Auswirkungen auf die christlichen Kirchen wie auf die kulturellen Formationen und Identitäten in Europa ausgiebig beschäftigt hat, war eine im September 2015 in Vilnius durchgeführte Tagung mit weit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Europa sowie aus Nordamerika. Der Leiter der Eutiner Forschungsstelle für Historische Reisekultur, Prof. Dr. Axel E. Walter, hat diese Tagung zusammen mit zwei theologischen Kollegen, Prof. Dr. Heinrich Assel aus Greifswald und Prof. Dr. Johann Anselm Steiger aus Hamburg, wissenschaftlich geleitet. Vor wenigen Wochen ist der von den drei Wissenschaftlern herausgegebene Sammelband mit dem Titel „Reformatio Baltica. Kulturwirkungen der Reformation in den Metropolen des Ostseeraums“ (Berlin: de Gruyter-Verlag) erschienen, in dem viele der 2015 gehaltenen Vorträge publiziert sind. In diesem Band werden zunächst länderübergreifende Aspekte behandelt, dann folgen jeweils umfangreiche Abschnitte über Deutschland, Polen und Ostpreußen, das Baltikum und Russland, Skandinavien sowie zur Lutherrenaissance im Ostseeraum.

Das Erscheinen dieses Buches, das mit über 1.000 Seiten Umfang im wahrsten Wortsinn ein gewichtiges Beispiel für die vielfältigen nationalen und internationalen Aktivitäten zur Lutherdekade repräsentiert, bietet den Anlass für eine Abendveranstaltung in der Eutiner Landesbibliothek, die gemeinsam mit der Kirche in Ostholstein organisiert und durchgeführt wird. Zum Auftakt des Abends werden die Wege, Wirkungen und Wandlungen der Reformation im Ostseeraum anhand dieser Neuerscheinung in einer kurzen Einleitung im kulturhistorischen Kontext skizziert. Das Ziel der Veranstaltung führt jedoch weit über diesen Auftakt hinaus. Moderiert von Merle Fromberg, der Referentin für Kirche und Tourismus im Kirchenkreis Ostholstein, und Axel E. Walter soll vielmehr in einer Podiumsdiskussion der thematische Bogen geschlagen werden von 1517 bis 2017. Merle Fromberg war als Synodale eine der von der Evangelischen Kirche beauftragten „Scouts“, die offizielle Veranstaltungen des Reformationsjahres beobachten und in einen Bericht zusammenführen sollten. Sie wird die Podiumsdiskussion mit einer kurzen Bilanz des Reformationsjahres einleiten und richtet nach der kulturgeschichtlichen Rückschau damit auch den Blick auf die Impulse und Nachwirkungen des großen Reformationsjubiläums.

Für die Podiumsdiskussion konnten Vertreter verschiedener Institutionen gewonnen werden, die jeweils andere sachliche und fachliche Perspektiven einbringen und schon dadurch eine reizvolle Diskussion garantieren sollten. Teilnehmer sind Propst Peter Barz vom Kirchenkreis Ostholstein, Pfarrer Dr. Bernd Wichert von der neuen Katholischen Groß-Pfarrei St. Vicelin, und Dr. Frank Baudach, Literaturwissenschaftler und Leiter der Eutiner Landesbibliothek. Außerdem reist eigens zu dieser Podiumsdiskussion Prof. Dr. Ojārs Spārītis aus Riga an, ehemaliger Kultusminister Lettlands und seit 2012 Präsident der Lettischen Akademie der Wissenschaften. Herr Spārītis ist Professor für Kunstgeschichte und Kunsttheorie und hat sich vielfach um den Erhalt des gemeinsamen deutsch-baltischen kulturellen Erbes, darunter insbesondere aus der Zeit der Reformation und Renaissance, verdient gemacht.

Beiträge aus dem Publikum sind bei der Diskussion ausdrücklich willkommen. Im Anschluss besteht die Gelegenheit, die Gespräche bei einem Glas Wein fortzuführen.

Ort: Seminarraum der Landesbibliothek.

Eintritt frei


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