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Das Europäische Hansemuseum Lübeck - touristischer Leuchtturm oder Flop?

 

Nach über zehnjähriger Planungsphase und dreijähriger Bauzeit ist das neue Europäische Hansemuseum für Besucher geöffnet. Der kubische Neubau mit seiner gelblich-braunen Backsteinfassade schmiegt sich an den Hügel, auf dem das Burgkloster steht. Die geschlossene Fassade, nur unterbrochen durch die Fensterreihe des Cafés und einer öffentlichen Treppe von der Untertrave hinauf zum sanierten Klosterbereich, zitiert die einst am Fuße des Burghügels verlaufende mittelalterliche Stadtmauer.

"Das Europäische Hansemuseum ist ein touristischer Leuchtturm, der weit über Lübeck hinaus strahlen wird. [...] Das Museum wird mit Sicherheit ein Publikumsmagnet und noch mehr Gäste aus Deutschland und Europa nach Lübeck locken", schwärmt 2014 die Lübecker SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Hiller-Ohm. Im Klartext: Neben einer positiven Imagewerbung, einem Tourismusboom sind es vor allen Dingen ökonomische Aspekte, die "Im Namen der Hanse" Geld in die klamme städtische Haushaltskasse und das Museumsbudget spülen sollen - trotz stolzer Eintrittspreise peilt das Hansemuseum jährlich 150.000 Besucher an. Im Vergleich dazu hatten im Jahr 2013 das Museum Holstentor rund 56.000 und das St. Annen Museum etwa 52.000 Besucher.

Aber braucht Lübeck ein Hansemuseum, wo doch die Altstadt von Lübeck mit ihren Kirchen, dem Rathaus, dem Holstentor und den historischen Bürgerhäusern seit Dezember 1987 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt? Wo sich hinter den dicken Mauern des St. Annen Museums unschätzbare mittelalterliche Kostbarkeiten verbergen? Vielleicht ist es der Mythos der Hanse und Lübecks Stellung als "Königin der Hanse", welche Lübecker Kulturpolitiker und Museumsplaner touristisch, sprich lukrativ vermarkten wollen. Ein neues Hansemuseum muss sein, zumal die Finanzierung durch die Possehlstiftung gesichert ist. Bereits während der Planungszeit verkünden die damalige Kultursenatorin Annette Borns und Professor Dr. Hans Wißkirchen von der Kulturstiftung Lübecker Museen, dass die "verstaubten klassischen" Museen nicht mehr zeitgemäß seien. Denn - sagen Marketingexperten - ein sich änderndes Konsum- und Kulturverhalten, die Freizeitgestaltung mit dem Wunsch nach Unterhaltung und Spaß, die wachsende Informationsflut durch elektronische Medien und Internet bringen gesellschaftliche Veränderungen und erfordern eine neue Positionierung musealer Bildungsträger.

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Folglich muss ein Museum des 21. Jahrhunderts diesen Herausforderungen gerecht werden. Also weg von den verstaubten Museen mit ihren originären Aufgaben von Sammeln, Bewahren, Forschen und Präsentieren hin zu einer Freizeiteinrichtung, zu einem visuellen Erfahrungs- und Erlebnismuseum. Mittels moderner Szenografie, das heißt mit rekonstruierten Räumen und narrativen Szenen, interaktiven und multimedialen Elementen steht der Rezipient, der Besucher, im Dialog mit der geschichtlichen Vergangenheit. Historisches Wissen kann - mal mehr, mal weniger dramatisch - als begehbares Bühnenbild vermittelt werden. Zudem muss diese neue Art der Präsentation attraktiv sein, denn Museumsgründungen stehen unter finanziellem und ökonomischem Erfolgszwang sowie in Konkurrenz zu anderen Institutionen, zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
 
Vorbild für die lübschen Museumsplaner ist das überaus erfolgreiche Erlebnismuseum, das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven mit über 170.000 Besuchern im Jahr 2014, dessen konzeptionelle und architektonische Gestaltung von dem Hamburger Studio Andreas Heller Architects & Designers entworfen ist. Aufgrund dieses Erfolges entscheiden sich die Lübecker Kulturschaffenden ebenfalls für das Team von Andreas Heller und für ein Erlebnismuseum mit publikumswirksamer Szenografie: Begehbare Dioramen und theaterartige Szenen thematisieren in sieben Raumstationen die Geschichte der Hanse und die der Stadt Lübecks über einen Zeitraum von 600 Jahren, beginnend mit den städtebaulichen Anfängen um 800, über die Pest-Epidemien bis hin zu Lübecks Rolle als "Königin der Hanse". Die Hanse, der erste Global-Player in der europäischen Geschichte, wird von der Niederlassung in Nowgorod, weiter zu den Hansekontoren in Brügge, Bergen und London, dem Hansetag in Lübeck und dem Niedergang der Hanse im 16. Jahrhundert szenisch dargestellt.

Foto: Olaf MalzahnFoto: Olaf MalzahnGeradezu spielerisch wird der Besucher in eine fast authentisch wirkende mittelalterliche Szenerie involviert. Alle Inszenierungen, egal ob eine Kogge mit Takelage, Kähne und Fässer im Schilf, geradezu lebensecht wirkende Dominikanermönche, das Brügger Kontorhaus mit seinen Tuchen, Töpferwaren, Gewürzen, Früchten und Gemüsen oder Handwerksutensilien und Einrichtungen aus Holz, alles sind originalgetreue Requisiten aus Holzplatten, Styropor, Gips, Plastik und Farbe, hergestellt von Spezialisten der Babelsberger Film-Werkstätten. Neben den Nachbauten ersetzen Touchscreens modernster Medientechnik die Geschichtsbücher. Ein Touch und die gewünschte Information erscheint auf dem Monitor. Als Background kommt Musik aus dem Off, was allerdings an die musikalische Berieselung im Supermarkt erinnert. Zwischen den großen Themenräumen befinden sich kleinere Kabinette, welche, in Ermangelung eigener Originalexponate, Leihgaben aus Lübecker Museen und anderen Hansestädten sowie Faksimiles von Dokumenten ausstellen.

Nach dem Rundgang geht es die Treppe hinauf zum Burgkloster, einem Dominikanerkonvent aus dem 13. Jahrhundert, zum Beichthaus und dem ehemaligen Gefängnishof. Das Kloster, vor einigen Jahren noch Ort einer lebendigen Kunst- und Kulturszene, präsentiert sich jetzt frisch saniert mit renovierten Räumen und restaurierten Wandmalereien verschiedener Epochen. Ein Audioguide, sehr zu empfehlen, erzählt die wechselvolle Geschichte des Konvents. Im Obergeschoss befindet sich das in den Museumskomplex integrierte Hanse-Labor. Abschließend ein Blick von der Dachterrasse des Museums auf die Stadt, den Hafen mit seinen historischen Schuppen und der vor Anker liegenden "Lisa von Lübeck", dem Nachbau einer Karweel der Hansezeit.

Im Nachhinein stellen sich allerdings Fragen: Sind moderne Museen mit aufwendig inszenierten Szenovisionen Teil der Unterhaltungs- und Freizeitindustrie? Der Museumsbesuch ein Event? Der heutige Museumsbesucher ein "homo eventicus"? Die Lübecker Präsentation inszenierter Geschichtsdarstellung dürfte die Gemüter spalten und zu kontroversen Diskussionen innerhalb der Fachwelt und den Konsumenten, den Museumsbesuchern, führen. Aber, letztendlich entscheiden die Besucherzahlen, ob das Europäische Hansemuseum ein Flop oder ein touristischer Leuchtturm und ein Museumsmagnet sein wird. Schaun wir mal.

Fotos: (c) Olaf Malzahn


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