Theater Partout „Das Original“
Kunst am Rande der Gesellschaft

Wohnwagen, Wellblechzaun, Sperrmüllmobiliar. Dies ist der Rand der Gesellschaft, hier lebt, arbeitslos und vom Mann verlassen, Maude Gutmann. Dass ihr Sohn tot ist, wird sie später erzählen, aber schon der erste Blick zeigt, dass es schon ein Wunder braucht, um diesem Milieu zu entfliehen.

Und genau dieses Wunder deutet sich an, denn Maude hat beim Trödler ein Bild hervorgekramt, es für drei Dollar mitgenommen, und nun ist sie sicher, dass es sich dabei um einen „echten Jackson Pollock“ handelt. Etliche Millionen könnte der bringen – wenn es denn der Gutachter aus New York bestätigt, der nun, wie aus seiner ästhetischen Welt gefallen, bei ihr auf dem Stuhl sitzt. Zwei Welten prallen in der Kunst-Komödie „Das Original“ von Stephen Sachs aufeinander, im Theater Partout hört man es in der Inszenierung von Uli Sandau förmlich scheppern.

Komödie? Die Dialoge sind pointiert, spitz, manchmal scharf. Aber zum lauten Lachen ist einem nicht in dieser reichlichen Stunde. Wohl aber zum Schmunzeln, auch über sich selbst. Denn die Stereotype, mit denen der Kunst-Snob Lionel Percy und die schlichte Maude Gutman einander begegnen, trifft man auch im wirklichen Leben. Kunst im Wohnwagen einer recht unfeinen Dame – kann das sein? Ein ehrliches Urteil von einem „arroganten Hurensohn“ – ist das möglich? Die Geschichte nimmt rasch Fahrt auf und steuert mitten hinein in die Befindlichkeiten der beiden Charaktere, die zwar in gegensätzlichen Welten leben, aber so unterschiedlich doch nicht sind.

Andrea Bergmann und Erik Fiebinger statten die Rollen mit Saft und Kraft aus. Hier die patente Frau mit Herz und Schnauze, die mit Benehmen und Wortwahl immer etwas daneben liegt, da der Herr im feinen Anzug, der zwar mit Etikette vertraut ist, aber in Sachen Mitmenschlichkeit keine Manieren hat. Man nähert sich dennoch an, denn die Wunden, die das Leben dem einen wie dem anderen geschlagen hat, schmerzen unabhängig von Einkommen und Bildung. Bergmann und Fiebinger treiben diese Annäherung behutsam voran, man sieht ihnen gerne dabei zu.

Ein Happyend gibt es nicht. Oder doch? Ob das Pollock-Gemälde ein Original ist oder nicht, bleibt offen. Der Experte jedenfalls macht seinen Haken nicht hinter das Ja, das für Maude ein anderes Leben bedeuten könnte. Es geht nicht mehr um das Geld, das, sagt Maud, ist ihr „scheißegal“. Was ihr denn nicht egal sei, will Percy wissen. „Die Wahrheit.“ Und zu der gehört die Frage, ob die Meinung eines Experten mehr wiegt als die einer Frau vom Rand der Gesellschaft. Ein starkes Stück. Das Premierenpublikum ist begeistert.

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