Werft-Open-Air auf Gollan
Grandiose „Hope-Show“ von Fury in the Slaughterhouse

Totgesagte leben länger. Die 1987 gegründete Rockband Fury in the Slaughterhouse (Aufruhr im Schlachthof) aus Hannover schien nach ihrer selbst verkündeten Auflösung 2008 am Ende.

Bis dahin hatte sich die deutsche Rockband, die sich explizit gegen die Neue Deutsche Welle absetzen wollte, mit diversen Hits eine riesige Fan-Basis nicht nur in Deutschland erspielt. Mit Radio Orchid, Won´t Forget These Days und Time to wonder hatten sie Nr.-Eins-Hits. Ab 2017 berappelten sich die alten Freunde wieder und brachten mit „Now“ im Jahre 2020 sogar wieder ein Album raus, das aber nicht an alte Erfolge anknüpfen konnte. Aber dann plötzlich 2023 erschien Ende Juli das neue Album „Hope“ und schoss sofort an die Spitze der Charts.

Schlagzeuger Rainer Schumann, Gero Drnek und Thorsten WingenfelderSchlagzeuger Rainer Schumann, Gero Drnek und Thorsten Wingenfelder

Dementsprechend gingen die Erfolgs-verwöhnten Musiker jetzt wieder auf Tour und machten auch Halt beim Werft-Open-Air in der Gollan-Werft. Das riesige Geländer unter dem Bunker-Turm war rappelvoll, gut 6.000 Leute waren gekommen. Das erstaunte sogar Gitarrist Christof Stein-Schneider: „Wo kommt ihr denn alle her?“ Und dann ging es auch gleich rockig mit der ersten Single aus dem neuen Album „Better times will come“ los. Die neue Scheibe soll Hoffnung geben, man will nicht mehr zurück schauen.

Dann wurden drei Kategorien von Stücken für den Abend angekündigt, hauptsächlich neue Songs vom Hope-Album, das von Vincent Sorg von den Toten Hosen produziert wurde, aber auch alte Klassiker, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben und vom Publikum verlangt werden, wie Kai Wingenfelder, der Sänger mitteilte. Dann stürzte er sich „Radio Orchid“ singend in die Menge und nahm ein ausführliches Bad im Publikum. Und immer wieder nahm sich die Band die Zeit, mit dem Publikum zu plaudern, Geschichten zu erzählen oder politische Statements abzugeben.

Thorsten WingenfelderThorsten Wingenfelder

So berichtete Thorsten Wingenfelder, der Bruder vom Sänger, dass er gerade 59 geworden ist, was schon ganz schön alt sei. „Aber die meisten Rocker sind tot, wir leben noch“, konterte Gitarrist Christof Stein-Schneider. Übrigens waren sie Freitag gerade in Jarmel, wo sie mit Bosse, Matzen und Christian Krumbiegel von den Prinzen auf der Bühne standen, um ihre Solidarität beim „Rock the Förster“-Festival gegen rechts zu dokumentieren. Erschüttert stellte Thorsten fest: „Ich könnte dort nicht leben bei all den Rechten und Völkischen, die das Leben in dem kleinen Dorf bei Wismar dominieren“.

Ihre Antwort: „Never give up“, mit dem sie auch ihre Unterstützung für soziale Projekte wie den „Sea-Shephards“ dokumentierten. Auch beim Wacken-Chef Holger Hübner, der seit 2017 ihr neuer Manager ist und sie aus dem Loch holte, bedankten sie sich mit einer Nummer: „More than a friend“. Selbst in Wacken waren sie danach aufgetreten, allerdings unter dem Namen „Die beschissenen 6“. Aber auch die deutsche Bundesbahn kriegte ihr Fett weg, weil Gitarrist Stein-Schneider mal über 9 Stunden für den Weg von Berlin nach Hannover brauchte, während Kai Wingenfelder per Auto schon längst über Hamburg in seiner neuen Heimat im Norden an der Küste bei Schleswig angekommen war und schon die zweite Flasche Wein geöffnet hatte. „Trapped today, trapped tomorrow“ war die passende Antwort.

Überhaupt war die Stimmung unter den unzähligen Fans großartig. Tausende Handy-Leuchten legten einen Glühwürmchen-Zauber über das weitläufige Gelände bis zum bunt beleuchteten Bunkerturm. Der hatte es besonders Christof Stein-Schneider angetan. Zuerst behauptete er, sie seien mit dieser Rakete nach Lübeck gekommen, obwohl sie vorher von Konzerten in der Stadt nur das Riders kannten. Als dann auch noch Qualm aus dem obersten Fenster kam, erklärte er das Turmzimmer zu seiner „Kifferbude“.

Aber natürlich folgten dann viele weitere alte Hits wie „Every Generation got ist own disease“, „Won´t forget these days“, „Dancing in the sunshine of the dark“ oder „Milk&Honey“. Und zum Schluss nach gut zwei Stunden gab es dann noch reichlich Zugaben wie „Dead and gone“ oder „Time to wonder“.

Ein riesiges Konzert voller wunderbarer Songs, grandioser Lichtshow, Videos und einer perfekten Performance, die nur begeisterte Fans zurück ließ. Fury, ihr dürft gerne wiederkommen!

Fotos: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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