Beblawi (Jawad Altawil) ist ein Kandidat für den nächsten Großimam,(c) Atmo - X Verleih AG

Brisanter Religions-Polit-Thriller musste von Kairo nach Istanbul verlegt werden
Die Kairo-Verschwörung

Der schwedisch-ägyptische Filmregisseur Tarik Saleh steht im Heimatland seines Vaters auf schwarzen Listen, weil sein Thriller „Die Nile Hilton Affäre“ aus dem Jahre 2017, der in Zeiten des Arabischen Frühlings spielte und über Polizei-Korruption berichtete, auf starkes Missfallen bei der Führung Ägyptens stieß. Eine Einreise von ihm dürfte folgenschwere Konsequenzen haben.

Deshalb durfte er seinen mit diversen Preisen dekorierten Thriller „Die Kairo-Verschwörung“, der auch auf den letzten Nordischen Filmtagen Lübeck mit Erfolg lief und sowohl den NDR-Hauptpreis, wie auch den Baltischen Filmpreis gewann, nicht an Original-Schauplätzen drehen, sondern musste nach Istanbul und Jordanien ausweichen. Eigentlich spielt der brisante Thriller in der weltberühmten Al-Azhar-Universität in der ägyptischen Hauptstadt. Wegen des Drehverbotes mußte Tarik Saleh die wichtigsten Szenen seines Streifens in die Süleymaniye-Moschee, ein mächtiges Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, in die Türkei verlegen. Die Türkei ist nun auch nicht gerade ein Parade-Beispiel für Demokratie und Freiheiten, trotzdem konnte der Film, der den Machtkampf der politischen und religiösen Eliten um die Nachfolge des Groß-Imams, des Führers der machtvollen Universität, voller Intrigen, Korruption und Mord aufzeigt, realisiert werden.

Adam (Tawfeek Barhom) - der Fischersohn, (c) Atmo - X Verleih AGAdam (Tawfeek Barhom) - der Fischersohn, (c) Atmo - X Verleih AG

Die Geschichte beginnt in einem kleinen Fischerdorf im Nil-Delta, wo der einfache und etwas naive Fischersohn Adam (Tawfeek Barholm) überraschend ein Stipendium für die berühmteste Universität des Landes erhält. Die staatliche Unterstützung für das Studium hat ihm der Dorf-Imam auch gegen den Willen des zunächst ablehnenden Vaters besorgt. Weil die Unterstützung auch eine Ehre für den kleinen Küstenort bedeutet, und weil sein Sohn schließlich dem Wunsch des Gottes nachkommt, stimmt selbst der Vater zu. Also macht sich Adam auf die Reise in die fern gelegene Millionen-Metropole Kairo. Dort ist der naive junge Mann sowohl vom religiösen Leben und Treiben an der Universität tief beeindruckt, wie auch vom liberalen Leben seiner Mitstudenten, die sich heimlich in die Großstadt schleichen, rauchen und trinken, entsetzt.

Dann stirbt überraschend der Groß-Imam und ein gewalttätiger Machtkampf um seine Nachfolge bricht aus. Sowohl Staat, Geheimdienst, religiöse Führer und die Moslem-Bruderschaft liefern sich einen geheimen, wie mörderischen Kampf, wobei Adam zwischen alle Fronten gerät. Der undurchsichtige Regierungsbeamte und Geheimdienst-Mitarbeiter Ibrahim (Fares Fares) wirbt ihn als Informanten und Spitzel an. Dass es dabei nicht nur um Religion und Glauben geht, sondern um Macht und Geld im Land der Korruption, erkennt Adam sehr spät, als er sich seines Lebens nicht mehr sicher sein kann. Immer tiefer gerät er in einen Sumpf aus Intrigen, Verrat und messerschwingenden Schattenmännern, die auch vor der Ermordung seines Informanten-Vorgängers nicht zurückschrecken. Adam lernt schnell, am Leben zu bleiben, selbst wenn er sich auf geheimen Treffen mit dem undurchsichtigen Ibrahim in westlichen Cafés zu Muffins und Milkshakes verabredet. Fares Fares, der auch schon in deutschen Krimis aus Bremen bekannt ist, spielt den ausgebufften, wie zerzausten Geheimdienstler gewohnt souverän wie undurchschaubar. Schlussendlich ist nämlich auch er selbst nur eine Schachfigur im Ränkeschmieden der unterschiedlichen Machtinteressen.

Ein Blick in die Azhar Universität in Kairo, (c) Atmo - X Verleih AGEin Blick in die Azhar Universität in Kairo, (c) Atmo - X Verleih AG

„The Boy from Heaven“, wie er im Original heißt, war nicht nur Schwedens Kandidat für den Ausland-Oscar, sondern könnte in jedem anderen autokratisch gelenkten Land dieser Welt spielen. Was ihn aber einmalig macht, ist die Tatsache, dass er im Zentrum des sunnitischen Islams spielt. Dabei spielt die unfassbar riesige Welt der Moschee als Universität mit immensen Innenhöfen, verwinkelten Räumlichkeiten, Wendeltreppen und mächtigen Minaretten eine große und wichtige Rolle. Ebenso faszinieren die Massen an Komparsen und wunderbarsten Kostümen. Saleh zeigt Bilder von religiösen Zusammenkünften mit tausenden Gläubigen mit roten Mützen, die so wohl noch nie zu sehen waren. Das hat manchmal etwas archaisches und traditionell religiöses, aber sorgt auch durch seine Bildsprache für knisternde Spannung. Man merkt, dass sich Tarik Saleh von der Umberto Eco-Verfilmung seines mittelalterlichen Films „Der Name der Rose“ hat inspirieren lassen. Auch in seinem Film trifft die mittelalterliche Religionstragödie auf Macht-Intrigen der Gegenwart, wobei es keine Rolle spielt, ob es um Christentum oder Islam geht.

Kein Wunder, dass Saleh seinen Film in seinem „gefühlten“ Heimatland nicht ohne Gefahr für sein eigenes Leben, wie auch seiner Fans, wie Kino-Betreiber zeigen kann. Wobei Saleh da angesichts der sich verschärfenden Konflikte wie zum Beispiel im Iran oder in Russland, wo kritische Filme wie „Holy Spider“ über einen fanatischen Frauenmörder im Iran von Regisseur Ali Abbasi oder Homosexualität thematisierende Filme in Russland unter Strafe verboten sind und nicht aufgeführt werden dürfen, nicht alleine steht. Das sollte den Cineasten aus Deutschland und der freien Welt nicht davon abhalten, diesen äußerst sehenswerten, informativen wie spannenden Thriller im Kino zu schauen. Der Film läuft zur Zeit im Filmhaus in der Königstrasse.

 

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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