Hochgelobt in Fachkreisen ist Sandra Leupold, die Regisseurin dieser Oper. Sie wurde 2014 mit dem FAUST-Preis für ihre Lübecker Inszenierung von Don Carlo ausgezeichnet. Eine Auszeichnung, die ab 2006 an Künstler für ihre herausragende Arbeit vergeben wird. Sandra Leupold ist die erste Frau, die sich damit schmücken darf.
Ob das die Besucher, die nicht mit Buhrufen sparten, interessiert, ist fraglich. Vielleicht wollten sie nur der Unterhaltung frönen. Daraus wurde nichts!
Gleich zu Beginn eine düster anmutende Bühne: schwarze Wand, lediglich durch an der Wand befestigte Scheinwerfer unterbrochen, die mitunter zum Einsatz gelangen (Bühne Stefan Heinrichs). Entlang dieser Wand schleichen in Zeitlupe im Laufe des Abends sämtliche Künstler, Statisten und Choristen eingeschlossen.
Hauptakteure dieser Oper sind zwei Damen, Fiordiligi und ihre Schwester Dorabella. Beide sind den Offizieren Guglielmo und Ferrando versprochen. Die wiederum sind mit Don Alfonso befreundet, der die These vertritt, dass keine Frau so moralstark ist, wie sie sich gibt. Untreue: ein Merkmal der Damenwelt - seiner Meinung nach. Ferrando und Guglielmo jedoch sind sich sicher, dass ihre Liebsten ihnen treu sind. Daher lassen sie sich von Don Alfonso überreden, sich zu verkleiden und mit verändertem Aussehen die Treue der Frauen auszuloten. Hier greift Sandra Leupold tief in die Regiekiste. Sie untermauert die Aussage der Oper und mahnt, nicht zu große Erwartungen in den Partner zu setzen. Wer im Leben steht, weiß, dass Leupold stets den Spiegel dabei hat.
Der Dirigent Felix Krieger musste sich auf die offene Bühne einstellen. Sein Philharmonisches Orchester und er zeigen sich im Laufe des Abends zunehmend sensibel.
Viel Glück hat die Regie mit Wioletta Hebrowska als Dorabella. Sie füllte die begehrte Rolle der Dorabella wunderbar aus. Diese Künstlerin hat alles parat: Stimmführung und Spiel enttäuschen nicht. In nichts steht ihr Erica Eloff als Fiordiligi nach. Sie verfügt über eine Stimme von beträchtlicher Brillanz. Auch ihre Mimik lässt nichts zu wünschen übrig. Daniel Jenz in der Rolle des Ferrando ließ anfangs vermuten, er sei vielleicht kein Mozart-Sänger. Wie sich dann aber herausstellt, war auch er auf der Bühne zu weit hinten postiert. Sein Freund, Guglielmo, wird von Johan Hyunbong Choi verkörpert. Ein Bariton in Hochform und leichtfüßig obendrein – sehr erfreulich. Das kann man auch von Andrea Stadel behaupten. Sie füllt gleich drei Rollen aus und agiert als Kammerzofe Despina, Arzt und Notar. Spielfreudig und mit stets wohlklingendem Sopran meistert sie alle Rollen mit Bravour.
In seinem Element ist auch Steffen Kubach. Wieder eine Rolle, an der auch er Spaß hat und bestens ausfüllt. Ein Intrigant per excellence, mit gut geführtem Bariton.
Nicht zu vergessen der Chor unter Jan-Michael Krüger und die ansprechenden Kostüme der Jessica Rockstroh, die auch in der Barockzeit en vogue waren. Dennoch trennen sich die Akteure peu à peu von ihrer Garderobe, bis sie zum Schluss in Unterwäsche agieren. Eine Möglichkeit, sich nur noch auf sich als Mensch zu besinnen. Ob Sandra Leupolds Regie hiermit zur Besinnung aufruft und meint, dass wir tatsächlich eine „heitere Ruhe“ erreichen, bleibt zu hoffen.
Fotos: Oliver Fantitsch
Kommentare
Vielleicht hätten Sie die Rezension lesen und nicht nur überfliegen sollen! Dann wäre Ihnen auch aufgefallen, dass die Autorin den Tenor mit keiner Silbe kritisiert. Sie schreibt über eine anfängliche Vermutung und gibt allein der aus ihrer Sicht ungünstigen Positionierung des Sängers in der Anfangsphase der Oper die Schuld an möglichen Zweifeln. Das ist aus meiner Sicht sehr berechtigt und nachvollziehbar, zumal es mir ebenso erging. Zweifel, die im Laufe der Aufführung hinfällig wurden, wie man der Rezension entnehmen kann. Ich habe die Karriere dieses Sängers von Beginn an verfolgt und kenne seine Stärken und Schwächen.