Foto: (c) Andreas Schwarz

Eine artistische Freilichtperformance am Krähenteich
Cirque on Edge – „über_brücken“

Am letzten Tag des Septembers rief mich am frühen Abend ein Freund an, ich solle mich sofort auf den Weg machen, am Krähenteich gebe es gleich etwas zu sehen. Da seine Tipps in der Vergangenheit stets zuverlässig waren, sputete ich mich, schwang mich auf das Fahrrad und radelte zur Rehderbrücke, dort wo der Düker das Wasser der Wakenitz in den Krähenteich einleitet.

An beiden Ufern hatten sich bereits Zuschauer in großer Zahl versammelt, unter ihnen auch zahlreiche Kinder, die mit ihren Eltern gekommen waren und munter auf der Wiese rumtollten. Als Sitzgelegenheiten waren Bierzeltbänke und gestapelte Bierkästen aufgestellt, aber erfreulicherweise waren es mehr Besucher als Sitzplätze.

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Der Krähenteich ist an dieser Stelle ca. 15 m breit. An beiden Ufern lagerten etliche Holzelemente, die in verschiedenen Dreiecks- und Trapezformen miteinander verschraubt waren, einige auch schon fest an der Wasserkante verschraubt. Damit war mir das Thema und das Ziel des Abends klar: „über_brücken“. Die Artisten des Cirque on Edge wollten eine Brücke von Ufer zu Ufer bauen. Aktiv waren zwei Frauen und vier Männer im Rampenlicht sowie etliche helfende Personen, die meistens im Hintergrund blieben.

Das Spektakel begann. Eine leise Frauenstimme bereitete das Publikum auf ein mysteriöses Geschehen vor. Ein Gitarrenspieler unterstrich während der gesamten Vorstellung die jeweilige Stimmung, mal zart und leise, mal dynamisch und aufregend. Auf beiden Ufern traten Artisten ins Rampenlicht und begannen, die Brückenköpfe um einige Elemente zu erweitern, diese wuchsen Stück für Stück aufeinander zu. Aber bis zum Brückenschluss war es noch weit. Man sah sich über das Wasser hinweg, konnte sich aber noch nicht berühren.

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Mehrere artistische Kunststücke wurden ausprobiert, um einander näherzukommen. Ein Mutiger wagte es, über ein durchhängendes Seil zu balancieren. Eine junge Frau vollführte akrobatische Luftnummern an einem freihängenden Seil, näherte sich schaukelnd stückweise der anderen Seite. Alle hielten gebannt den Atem an, wenn es offensichtlich gefährlich für die Artisten wurde. Knisternde Spannung! Der erlösende Applaus war jedes Mal umso heftiger! Es war aber sofort einsichtig, dass schwankende oder schaukelnde Seile keine dauerhafte Lösung sind.

Auflockerung gab es zwischendurch, wenn allerlei Schabernack miteinander getrieben wurde. Mal wurde mit Äpfeln in luftiger Höhe jongliert, um sie anschließend zu verspeisen. Immer wieder tauchte ein nymphenartiges Fabelwesen auf, das unter der Brücke erschien und die Bauenden von ihren Arbeiten mit Gesang und anderen Lauten ablenkte. Mysteriöses lag über der Szene. Die jungen Leute wurden immer mutiger und wie Trapezkünstler in der Zirkuskuppel schwang man sich halsbrecherisch von Balken zu Balken, hielt sich gegenseitig in der Luft fest, musste sich aber zwangsläufig auch immer wieder trennen, auch wenn die Brücke wieder ein Stück gewachsen war.

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Für die endgültige Fertigstellung musste die Fabelfigur helfend eingreifen. Sie ließ sich aus der Höhe in das kalte Wasser fallen und brachte schwimmend das letzte Dreieckselement unter die Brücke, so dass es mit der Nymphe daran hängend hochgezogen und in die Lücke eingepasst werden konnte. Ich bin sonst nicht der große Liebhaber von Märchen, Fantasiegeschichten und Fabelwesen, aber in diesem Fall stand ich fasziniert am Ufer, gebannt vom Fortgang des Geschehens. Danke an Cirque on Edge!

Für diese wunderbare Veranstaltung wurde kein Eintritt kassiert, die Besucher wurden jedoch gebeten, freiwillig in die herumgetragenen Hüte den Betrag hineinzuwerfen, der ihnen angemessen erschien.

Foto: (c) Andreas SchwarzFoto: (c) Andreas Schwarz

Jeder ist aber hoffentlich mit der Erkenntnis nach Hause gegangen, dass man dauerhaft tragfähige Brücken von Ufer zu Ufer nur spannen kann, wenn Menschen auf beiden Seiten mitwirken. Eine einfache Weisheit, die leider viel zu oft auf unserem Planeten missachtet wird!


Fotos: (c) Andreas Schwarz, www.fotoblog-luebeck.de


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