Impressionen von der Tagung der Hanse-Unternehmerinnen zum Thema "Werte in Kultur, Wirtschaft und unserem täglichen Leben"
Eingefangen von dem Thüringer Abiturienten Johannes Buchberger

Am 8. November 2016 betrat ich, 20 Jahre alt und durch Umstände nach Lübeck gekommen, die kaum hätten verworrener sein können, das Museumsquartier St. Annen zu einer Veranstaltung der Hanse-Unternehmerinnen über das Thema "Kunst und Kultur". Ich fand mich wieder in einem großen Saal, in dem Stühle vor einem Podium standen, gefüllt mit Menschen in schicken Klamotten.

Ich trug Kuschelsocken, die nicht meine waren, eine zerrissene Jeans und war mit Abstand der Jüngste. Es waren gestandene Geschäftsleute und -frauen von mehr oder weniger Einfluss, mit denen ich wohl nichts gemeinsam hatte außer dem zu langen roten Bändchen um den Hals, an dem jeweils die Namensschilder hingen. Ich setzte mich neben die Frau, die mich zusammen mit ihrem Mann, dessen Platz ich an diesem Abend besetzte, netterweise aufgenommen und zu dieser Veranstaltung mitgenommen hatte.

Gäste mit den zu langen roten BändchenGäste mit den zu langen roten Bändchen

Im Gegensatz zu den meisten Anwesenden war ich da, weil ich die Gelegenheit zu etwas Neuem bekam, und nicht, weil ich mich gesellschaftlich genötigt sah. Ich hörte die ersten Rednerinnen und Redner an und versank in Gedanken, welche durch Denkanstöße ihrer Reden entstanden. Teilweise stellte ich Recherchefehler fest und weite Abschweifungen vom eigentlichen Thema. Jeder war bemüht, treffende Vergleiche zu finden. Dann begann das eigentlich Interessante, die Podiumsdiskussion. Diese war eher ein Interview verschiedener Charaktere. In dieser Runde nahm ich im Wesentlichen nur zwei Personen wahr, deren Worten ich zuhörte und darüber nachdachte, den Pastor (Thomas Baltrock) und den Mann rechts neben ihm (Thilo Gollan). Man möge mir die Nachlässsigkeit mit den Namen verzeihen, ich lerne zur Zeit so viele Leute kennen und bin mir sicher, dass ich von diesen Menschen keinen wiedersehen werde.

Die Worte des Pastors haben im Raum am meisten Anklang gefunden, bei mir auch. Dennoch fiel mir ein moralischer Konflikt zu seinen Worten auf. Er regte sich über die Pastor Thomas Baltrock (St. Aegidien)Pastor Thomas Baltrock (St. Aegidien)Spritzen der Junkies auf öffentlichen Spielplätzen und soziale Missstände in Lübeck auf, während er einige Minuten davor geprahlt hatte, dass die Kirche in Schleswig-Holstein einer der größten Grundbesitzer und Arbeitgeber sei. Ich bin selbst religiös und halte den Pastor für einen sehr gebildeten und engagierten Menschen, aber die Kirche ist letztendlich auch nichts weiter als eine GmbH, ein Arbeitgeber. Und wenn sie das so schlimm findet, dann soll sie doch etwas dafür tun, um diese Menschen aus dem Dreck zu ziehen! Woanders gibt es auch private Auffangheime für Drogensüchtige, in denen sie arbeiten und dadurch ihre Therapie finanzieren. Das bedarf natürlich einer Investition, kann aber auch wieder zu einer schwarzen Null führen, die in Lübecks Kasse so sehr vermisst wird. Klar kann man das ansprechen, aber man sollte auch nachdenken, was man selbst dafür tun kann!

Der Mann neben ihm (Thilo Gollan) wurde befragt, was Künstler für Unternehmen und Unternehmer für Künstler tun können. Dabei fiel im übertragenen Sinne die Aussage, dass Unternehmen steuerlich entlastet werden sollten, um Kunst und Kultur zu fördern. So ein Schwachsinn! Damit alle wie IKEA keine Steuern bezahlen!? Das sieht für mich danach aus, ohne persönlich werden zu wollen, dass viele Unternehmen nichts ohne Eigennutz, und sei es nur die Selbstdarstellung, tun. So nach dem Motto: "Guckt mal, wie toll wir die Künstler fördern!" und dann: "Hey, das wollen wir aber von der Steuer absetzen!" Womit ich beim Punkt bin, dass es nämlich absolut nicht darauf ankommt, WAS man macht, sondern aus WELCHEN Gründen man etwas macht! Facebook hat zum Beispiel einem Künstler für die Verschönerung der Büroräume in Form von Grafitti Firmenanteile gegeben und der ist später Millionär geworden. Dann kam mir der Gedanke, dass sich auch meine Vorstellung von Kunst von der dieser Leute unterscheidet. Ich sehe auch Grafitti und Tattoos als Kunst an, darüber fiel kein Wort.

Ellen Ehrich (Sprecherin der Hanse-Unternehmerinnen)Ellen Ehrich (Sprecherin der Hanse-Unternehmerinnen)

Generell blitzte immer etwas Gesellschaftskritik durch, und obwohl es allen Anwesenden wahrscheinlich finanziell gut geht, nahm ich eine leicht weinerliche Stimmung im Raum wahr. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich bemerkt hatte, dass in Lübeck verwaltungstechnisch etwas falsch läuft. Die Stadt ist sehr wohlhabend und gibt dennoch mehr Geld aus, als sie hat. Das kommt natürlich nicht gut an bei den Unternehmern. Aber die meisten reden nur, glaube ich. Die Moderatorin sagte auch zwischendurch etwas von: "Ja, schade, dass es hier nicht so eine Kneipenkultur gibt wie in Köln, wo jeder neben jedem abends am Tresen steht." Und ich dachte nur: "Ist doch kein Problem, wir können doch danach in eine Kneipe gehen." "Machen und nicht Reden" ist mein Credo, und seitdem ich das beherzige, geht es mir besser!

Danach haben alle tatsächlich noch über das Thema philosophiert. Wirkte irgendwie fremd auf mich. Gibt es keine wichtigeren oder persönlicheren Themen? Gut, ich habe auch nicht viel aufgeschnappt und widmete mich dem Buffet.

Thomas Baltrock, Thilo Gollan, Moderatorin Olivia Althaus-Apmann, Max Schön und Hans WißkirchenThomas Baltrock, Thilo Gollan, Moderatorin Olivia Althaus-Apmann, Max Schön und Hans Wißkirchen

Auf dem Heimweg resümierte ich, dass es ein sehr interessanter Abend war, an dem ich, der nichts außer seinem mittelmäßigen Abitur vorzuweisen hat, mich in solcher Gesellschaft wiederfand. Persönlich konnte ich wohl außer einer schönen Erfahrung nichts für meinen Lebensweg mitnehmen. Mir gehört die Welt auch ohne Geld und Ansehen, das ist mir egal, Lübeck auch.

Nächste Woche werde ich ganz woanders sein. Manchmal muss man einfach ein Stück weit weggehen, um das Ganze oder das wirklich Wichtige zu sehen. Vielleicht liest dies hier ja einer von den Menschen, die Dienstag meinen Weg kreuzten und kann mit meinem Eindruck etwas anfangen.

Fotos: (c) Olaf Malzahn


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