Mick Rock
"The rise of David Bowie"

Irgendwie scheint dieses Jahr bitter zu werden. Die Einschläge kommen näher. Erst stirbt Lemmy Kilmister von Motörhead, dann David Bowie und zuletzt auch noch Prince. „Falls es da oben einen Gott gibt, stellt der sich momentan eine ziemlich geile Band zusammen“, meinte dazu Komikerin Carolin Kebekus, dass gleich drei Helden der Popularmusik der letzten Jahrzehnte verstorben sind. Wer jetzt noch einmal posthum in Bildern von David Bowie aus der Anfangszeit seiner Karriere schwelgen möchte, dem kann ich wärmsten den wunderbaren Bildband von Mick Rock, dem „Mann, der die 70er-Jahre fotografierte", empfehlen.

Der im Jahre 1948 in London geborene Fotograf Mick Rock, dessen realer Name sich eher nach Comic anhört, zu schön, als dass man ihn erfinden könnte, gilt als einer der Pioniere der modernen Tourfotografie. Bevor er den damals noch unbekannten Bowie vor die Linse kriegte, hatte er schon so manche magischen Momente von Stars wie Lou Reed, Pink Floyd, Blondie, The Ramones, The Sex Pistols, Iggy Pop &The Stooges, REM, The Libertines oder Queen abgelichtet.

Als David Bowie 1972 das geniale Konzeptalbum The rise and fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars veröffentlichte, schockte er die Musikgeschichte mit seinem Outing als bisexuell - ein Skandal. Die folgende Tournee präsentierte ihn als androgyne, wimperngetuschte Kunstfigur in Glitzerklamotten, die die Grenzen zwischen männlich und weiblich, hetero und schwul, Fakten und Fiktion einriss, bis nur noch ein funkelndes Spektakel fantastischer Selbstinszenierung blieb. Der Beginn einer unendlichen Karriere als Glamrock-Chamäleon der Popkultur und sich ewig neu erfindender Superstar der Musikwelt.

Als Mick Rock Bowie kennenlernte, war dieser noch ein sehr zurückhaltender und schüchterner Musiker. „He was a sweet, sweet soul. Such a privilege to have known and worked with him. Such a remarkable man and artist. I loved him.” Mick Rock begleitete Bowie auf seiner Tournee 1972/73 und erlebte in den Monaten einige der wohl prägendsten und die Musikwelt revolutionierendsten Auftritte der letzten Dekaden. Er war fasziniert von den exotischen und stilprägenden Auftritten des stillen David Bowies, der während der Gigs durch seine oftmals homoerotischen Facetten seiner Kunstfigur Ziggy Stardust gerade den Grundstein für seinen über vier Jahrzehnte andauernden Ruf als innovativer und wandlungsfähiger Ausnahmekünstler, der sich jederzeit neu erfinden und definieren kann, legte.

Viele der damals entstandenen Aufnahmen wurden jedoch nie veröffentlicht und werden erst jetzt mit dem Bildband The rise of David Bowie – 1972-1973 der Öffentlichkeit vorgestellt. Wenige Monate vor dem Tod war David Bowie sogar noch mit der Auswahl der Bilder, die ihn auch viel im privaten Umfeld und mit Freunden aus der Rock- und Pop-Geschichte zeigen, selbst involviert. In der Zeit des Glamrocks, die ohne Marc Bolan von T-Rex nie stattgefunden hätte, gab es aber noch viele andere Einflüsse, die die Musik, seinen Stil und sein Leben beeinflussten: Andy Warhol, Velvet Underground, Jaques Brel, Kabuki, Das Living Theatre, Clockwork Orange, Roxy Music und der futuristische Weltraumaspekt. Bowie saugte alles so schnell in sich auf und mixte dann daraus seinen eigenen fantastischen Cocktail. „Er war auf dem Weg in die Zukunft, zurück schaute er nie. Er dachte nicht an das Geld, er wollte ein Star sein“.

Herausgekommen ist eine einzigartige Hommage an den Ausnahmekünstler. Ergänzt werden die wunderbaren Bilder durch Texte des britischen Autors Michael Bracewell und einem Gespräch zwischen Mick Rock und dem britischen Musik-Kritiker Barney Hoskins. Die deutsche Ausgabe des Bildbandes erscheint im Taschenverlag als übergroßes XL-Hardcover (26,8 x 37,4 cm) mit einem verwirrenden Hologramm-Cover, welches je nach Blickwinkel ein anderes Portrait David Bowies zeigt, die sich aber auch überschneiden oder ineinanderfließen. Genauso schillernd wie David Bowies Leben gewesen ist und wie man ihn gerne in Erinnerung behalten möchte.

Mick Rock: The Rise of David Bowie – 1972 – 1973, Taschen-Verlag Köln 2015, 300 Seiten.

Das Buch ist in den inhabergeführten Buchhandlungen 
BuchfinkArno AdlerLangenkampmaKULaTUR und Buchstabe erhältlich.

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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