Heinke Both zeigt Sporttabellen ihres Vaters

Gehäkeltes und Ernte 23
Mit der Ausstellung „Wort“ im Günter Grass-Haus beginnt das Projekt „Kunstinseln“

Die Lübecker Künstlergemeinschaft plant für dieses Jahr ein Ausstellungsprojekt unter dem Titel „Kunstinseln“. Dabei soll es im Laufe des Jahres immer mal wieder Schauen von beteiligten Künstler/innen an verschiedenen Orten, auch außergewöhnlichen, geben.

Aktuell ist dafür das Günter Grass-Haus auserkoren, wo die Auftaktveranstaltung unter dem Titel „Wort“ noch bis zum 10. März gezeigt wird. Im Rahmen der Ausstellung wird außerdem der Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin am 14.2.24 im Haus Eden sein Buch „Cancel Culture. Ende der Aufklärung“ vorstellen.

„Im Anfang war das Wort“. Mit diesem Bibel-Zitat auf blauem Grund hat Wolfgang Tonne sein riesiges Banner an die Außentür des Ausstellungshauses gehängt. Es läutet ein, was die Mitglieder/innen des Lübecker Kunstvereins sich kreativ haben einfallen lassen zum Thema Wort. Natürlich passt die Schau wunderbar zum Hausherren und Wort-Künstler Günter Grass. So hat Stefan Schlippe Bob Dylan und Günter Grass in Beziehung gesetzt. Beide sind Literatur-Nobelpreisträger, was Schlippe durch eine Häkelarbeit kommentiert. Dazu ehrt er „His Bobness“ noch durch kleine, aus Sektverschlüssen gebastelte Objekte.

Anja Caroline Franksen benutzt wie Grass eine Reiseschreibmaschine der Marke Olivetti Lettera 22, allerdings nicht für Weltliteratur sondern für zwei fünfzig Meter lange bunte Papierrollen. Und Frauke Borchers hat sich ähnlich wie Günter und Ute Grass schon zu Lebzeiten einen eigenen Sarg zimmern lassen. Dieser Sarg aus hellem Buchenholz steht jetzt in der Schau und beherbergt mehr als 200 Reste von Stiften. Der Titel: „Behausung“.

Anja Caroline Franksen: MetamorphAnja Caroline Franksen: Metamorph

Zu den weiteren insgesamt 30 ausgestellten Arbeiten zählt auch „Ernte 23“ von Christa Fischer, die sich neben der Kunst seit Jahren für die Natur in Lübeck engagiert. Ihr eigener Haselnuss-Strauch vor dem Haus dient seit Jahren als „Wegzehrung“. Die geknackten Schalen hat sie gesammelt und jetzt als Haufen ausgestellt. Daneben die nicht geknackten Haselnüsse der „Ernte 23“, die meistens hohl und ein schlechter Jahrgang waren, wie die Künstlerin erzählte. Die Possehl-Preisträgerin 2018 Janine Gerber zeigt zwei Arbeiten: Auf 14 Fotos versucht eine Hand, ein Blatt in den Griff zu bekommen, während die Bodenarbeit aus geöltem Papier und Beton behauptet: In jedem Wort steckt auch der Ort, was orthografisch gewiss stimmt.

Blick in die Ausstellung im Günter Grass-HausBlick in die Ausstellung im Günter Grass-Haus

Ansonsten gibt es noch Sportnotizen und Fussball-Tabellen des Vaters von Heinke Both oder Sammelarbeiten aus Naturmaterialien und toten Insekten von Ingrid Mohr. Ruth Bleakley-Thiessen hat eine Installation aus zwei „Platzhalter-Stühlen“ entwickelt, die sie als Foto im Hafen von Marseille auf einem Parkplatz entdeckt hatte. Daneben gibt es weitere Fotoarbeiten von Thomas Schmitt-Schech: „Mädchenkram“, die seinen besonderen Blick dokumentieren und die Dreier-Serie von Nicolas de Cuvry, der die Folgen eines Sturmes an einem Waldstück an der Wakenitz zeigt. Die abgeknickten Bäume sehen für ihn aus wie das mythische Stonehenge. Hier wie auch bei den meisten anderen Arbeiten der Künstler/innen lohnt der genaue Blick, um Zusammenhänge von Wort und Bild oder Werk zu durchschauen.

Die Ausstellung läuft im Günter Grass-Haus noch bis zum 10. März 2024.


Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.