Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer, (c) SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Kunst für eine neue Zeit in der Kunsthalle Hamburg
250 Jahre Caspar David Friedrich

Eine große Jubiläumsschau anlässlich des 250. Geburtstages des großen deutschen Romantikers Caspar David Friedrich bildet mit dem Auftakt in Hamburg: Kunst für eine neue Zeit, den Start einer Dreier-Ausstellung in Hamburg, Berlin und Dresden, die vom Bundespräsidenten eröffnet wird.

Dabei präsentiert die Kunsthalle in Hamburg vom 15. Dezember bis zum 1. April 2024 in der Retrospektive über 60 Gemälde - darunter zahlreiche ikonische Schlüsselwerke - und rund 100 Zeichnungen. Neben Hamburg, Berlin und Dresden, die die größten Sammlungen des bedeutendsten romantischen Malers besitzen, bereichern zahlreiche Leihgaben aus aller Welt - auch aus dem Lübecker Behnhaus wird das Gemälde „Küstenlandschaft im Morgenlicht“ gezeigt - die Überblicks-Schau.

Caspar David Friedrich: Küstenlandschaft im Morgenlicht, Foto: Holger KistenmacherCaspar David Friedrich: Küstenlandschaft im Morgenlicht, Foto: Holger Kistenmacher

Ergänzt wird die Schau durch 20 ausgewählte Werke von Künstlerfreunden wie Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl oder Georg Friedrich Kersting. Dass aber auch in der Gegenwart die Bedeutung von Caspar David Friedrich in der zeitgenössischen Kunst eine große Ausstrahlung besitzt, belegen rund zwanzig Künstler und Künstlerinnen aus dem In- und Ausland mit ihren Arbeiten in Form von Fotos, Videos, Performances, Fotografien und raumgreifenden Installationen.

Wie Kultursenator Dr. Carsten Brosda bei der Begrüßung betonte, können wir in der Schau einen Blick auf die Geschichte durch die Brille der Gegenwart neu entdecken. In seiner Zeit wurde der 1774 in Greifswald geborene Künstler häufig nicht verstanden. Seine neue Sicht auf die Natur und wie wir uns als Menschen in der Natur verhalten, wird erst heute durch Themen wie Klimawandel, bedrohte Ökosysteme und Artensterben durch die zeitliche Entwicklung wirklich deutlich. Sein genauer, präziser und gänzlich eigener Blick auf Landschaft und Natur zeigt ganz eigene Welten, die er selbst häufig nie gesehen hat.

Kultursenator Carsten Brosda, Foto: Holger KistenmacherKultursenator Carsten Brosda, Foto: Holger Kistenmacher

Als Vorreiter seiner Zeit setzt sich Friedrich meist selbst als Subjekt in die Landschaft und erzeugt durch diese Doppelperspektive als Alleinstellungsmerkmal eine völlig neue Sicht für eine neue Zeit. Er begann bereits in seinen Zeichnungen, die oft Vorstufen seiner Gemälde waren, die Natur in stark komponierter Haltung voller Symmetrien abzubilden. Dazu zählten auch sein spezielles Spiel zwischen Verbergen und Sichtbarmachung von Naturphänomenen wie Wolken, Nebel und Licht. Sein berühmtes Bild „Mönch am Meer“ hat er zum Beispiel radikal entleert und geht bis in die unendliche Tiefe des Raumes. Seine Maxime war: Ein Bild darf nicht Natur vortäuschen.

Dementsprechend sieht man auch immer wieder die berühmten Rückenansichten der Betrachter, die staunend in die Landschaft oder über das Meer schauen. Aus seinem Alterswerk, welches aus der königlichen Sammlung der Königin von Dänemark ihren Weg nach Hamburg geschafft hat, begeistert besonders die Arbeit: „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“, sein vermutlich letztes Werk. Mit Stolz konnte der Kurator der Schau, Dr. Markus Bertsch noch verkünden, dass das berühmte Werk „Am Eismeer“, welches sich im Besitz der Hamburger Kunsthalle befindet, einen neuen Rahmen aus altem Holz erhalten hat.

Caspar David Friederich: Das Eismeer, (c) Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke WalfordCaspar David Friederich: Das Eismeer, (c) Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Aber auch der Bezug in die Gegenwart dürfte viele Besucher begeistern. Da warten zum Beispiel noch im Altbau zwei wunderbare Arbeiten von Kehinde Wiley: The Prelude, die sich zwar auf Caspar David Friedrich beziehen, aber bei ihrer Suche nach Blickerweiterung und Neuperspektivierung durch die Einbeziehung von schwarzen Personen in den Kreidefelsen von Rügen einen ganz neuen Blick auf die Kunstgeschichte werfen. Die romantischen Bilder von Friedrich entstammen einem weißen Kanon, in dem „die Zuschreibung von Macht, das Heroische sowie das Majestätische und Erhabene überwiegend ein Weißsein, häufig auch ein Männlich-Sein impliziert“, wie es im Katalog heißt.

Auch der Fotograf Andreas Mühe greift in seiner großformatigen Serie „Neue Romantik“ Motive und ästhetische Gestaltungsprinzipien der Romantik auf. Allerdings positioniert er sich in Rückenansicht selbst nackt in den Kreidefelsen. Den feministischen Ansatz produziert Elina Brotherus, in dem sie Frauen in Rückenansicht in die Natur platziert. Auch das Mittel der Performance findet ihre romantisch-kritische Entsprechung zum Beispiel in einer Arbeit von Swaantje Güntzel, die eine Fotoserie geschaffen hat, wo sie in rotem Kleid einen Joghurtbecher in den Oslofjord wirft. Damit kritisiert sie den gedankenlosen Umgang mit der Natur. Auch ein weiteres besonderes Motiv von Friedrich, die Wolken finden sich sowohl von ihm selbst als auch in neuerer Form von zeitgenössischer Kunst in der Ausstellung wieder. So arbeitet der Fotograf Jonas Fischer in seinen Serien-Bildern aus Wolkenbildern den Widerspruch zwischen Romantik und Umweltverschmutzung heraus, indem er Verbrennungsanlagen von ThyssenKrupp ablichtet.

Elina Brotherus: Der Wanderer 2, (c) Elina Brotherus / VG Bild-Kunst, Bonn 2023Elina Brotherus: Der Wanderer 2, (c) Elina Brotherus / VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Skurril witzig, aber auch voller schwarzem Humor kommen die Groß-Fotos von Aktionen des Performance-Künstlers Julian Charriere daher, die dokumentieren, wie er Eisberge in der Arktis erklimmt, um sie dann in stundenlangen Aktionen mit dem Schweißbrennen abzuschmelzen. Seine „Blue Fossil Entropie Stories“ sind Sensibilisierung und Kritik am Klimawandel, der die drastischen Folgen menschlichen Handelns aufzeigen sollen. Paradoxien und Dissonanzen, die nicht nur emotional ansprechen, sondern auch dazu anregen, das eigene Handeln zu hinterfragen.

Das faszinierende Werk des großen Romantikers Caspar David Friedrich steht natürlich im Mittelpunkt dieser wunderbaren Jubiläumsschau, aber auch ein neuer kritischer Blick der unterschiedlichsten Gegenwartskünstler/innen ermöglicht es, die Natur und die Romantik neu zu entdecken.

Der schwergewichtige Katalog zur Schau (512 Seiten, 350 Abbildungen) ist im Hatje Crantz Verlag erschienen und kostet in der Ausstellung 49 Euro, später im Fachhandel 54 Euro. Es gibt einen speziellen Vermittlungsraum „Kosmos Caspar“, sowie zahlreiche Begleitprogramme und Audioführungen.


Foto: (c) Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.