'Wounded', Marine Joe Townsend, (c) Bryan Adams

Fotografien von Bryan Adams im Günther Grass-Haus
Fotografierender Rockstar oder rockender Fotograf ?

Bilder voller Würde und Stolz trotz Armut, Elend und Kriegsentstellungen. Die Fotos des weltberühmten kanadischen Rockstars Bryan Adams, die im Günter-Grass-Haus zu sehen sind, zeugen von höchster fotografischer Qualität und künstlerischem Niveau.

Im Rahmen der Reihe von interdisziplinären Ausstellungen von sogenannten Doppelbegabungen zeigt das Literaturhaus in der Glockengießerstraße, das sich als Forum für Literatur und Bildende Kunst versteht, jetzt Porträt-Fotografien des Rockmusikers aus drei seiner Serien: „Homeless“, „Wounded“ und „Exposed“. Die drei Serien entsprechen drei Fotokatalogen aus dem Steidl Verlag.

'Wounded', (links) Sergeant Rick Clement,  (c) Bryan Adams'Wounded', (links) Sergeant Rick Clement, (c) Bryan Adams

Zu sehen sind in der von Anke Degenhard und Mat Humphrey kuratierten Schau insgesamt 50 Foto-Arbeiten in Form von Porträts von Obdachlosen in London, verwundeten jungen britischen Soldaten, die im Irak oder Afghanistan verletzt wurden oder von Freund/innen oder Kolleg/innen aus Mode-, Film- oder Musikbranche, darunter Mick Jagger, Amy Winehouse, Lana Del Rey, Kate Moss, Ben Kingsley, Dustin Hoffman oder der deutsche Udo Kier. Doch egal, wie sie heißen oder wie berühmt die Protagonisten sind, Bryan Adams macht in seinen Porträts keine Unterschiede. Alle sind Menschen, die einen bestimmten Weg eingeschlagen haben und gleichermaßen wertvoll und interessant sind. 

Hierin wie auch in der Tatsache, dass sich Lübecks berühmter Literat stets mit den Themen Krieg und gesellschaftliches Zeitgeschehen auseinander gesetzt hat und auch eine Doppelbegabung in Literatur und Kunst besaß, liegen die Gemeinsamkeiten zwischen Grass und Adams, wie auch auf der Vernissage betont wurde. Dort hatte der berühmte Schauspieler David Striesow sowohl Texte aus den Fotobüchern von Bryan Adams als auch von Günter Grass „Beim Häuten der Zwiebel“ gelesen. Der deutsche Filmschauspieler war unlängst an dem mit 4 Oscars geehrten Anti-Kriegs-Film „Im Westen nichts neues“ beteiligt.

'Homeless', Peter Le Page, (c) Bryan Adams'Homeless', Peter Le Page, (c) Bryan AdamsWenn man die Treppen zum Ausstellungsraum im 1. Stock des Grass-Hause hochkommt, begegnet einem gleich das Porträt von Peter La Page mit nacktem Oberkörper und strahlenden, ernst blickenden Augen. Gerade in seinem Blick liegt viel Authentizität und Ehrlichkeit und die Frage, wie das wohl passieren konnte, dass er obdachlos in den Straßen von London lebt. Daneben hängt eine ganze Reihe von Menschen voller Würde und Stolz trotz des Schicksals der Obdachlosigkeit, die häufig von Krankheit, Elend und Armut begleitet wird. Einige haben kaum Zähne, Finger, Arme, Beine, aber lächeln trotzdem. Gemeinsam mit der Obdachlosen-Zeitung „The Big Issue“ war es Adams in den 90er Jahren gelungen, Vertrauen zu den Protagonist/innen aufzubauen, damit sie sich völlig frei und selbstbewußt porträtieren ließen.

Auch sein zweites Elends-Thema zeugt von Vertrauen und Respekt. Die Serie über Kriegsversehrte „Wounded“ zeigt Menschen, die im Kriegseinsatz verletzt oder verstümmelt wurden. Trotz der Wunden, die sie davon getragen haben, sind die meisten ungebrochen und stolz. Einer hat sich „unscarred“ auf den Bauch tätowieren lassen, was so viel bedeutet, wie ohne Furcht trotz aller Verletzungen an Körper und Seele, die er davon getragen hat. „Man kann uns zwar unsere Gliedmaßen nehmen, unsere Haut verbrennen, aber nicht unseren Willen und unsere Würde“. Gerade in der aktuellen Zeit von Ukraine-Krieg und Israel-Drama sind diese Fotos mutig und wichtig.

'Wounded', Foto: (c) Holger Kistenmacher'Wounded', Foto: (c) Holger Kistenmacher

Die dritte Serie zeigt Berühmtheiten aus Musik, Film und Mode. Teils leger im Sofa abhängend oder entspannt am Strand: Ben Kingsley sitzt in einem schäbigen Hotelzimmer und schaut Fernsehen voller Einsamkeit und Langeweile, während Dustin Hoffmann und der Ozean ein Bild von Frieden und Weite zeichnet. Udo Kier lümmelt lasziv auf dem Bett rum und auch Model Kate Moss gibt die Verruchte. Amy Winehouse, die ihn auf seiner Insel in der Karibik besuchte, fotografierte er trotz ihrer Drogen- und Alkoholproblematik in all ihrer Verletzlichkeit.

Egal ob Schwarz-Weiß oder in Farbe, immer haben die unterschiedlichen Porträts eine besondere Qualität und Intensität, große fotografische Kunst, die es lohnt besichtigt zu werden.

'Exposed', Foto: (c) Holger Kistenmacher'Exposed', Foto: (c) Holger Kistenmacher

Zur Ausstellung gibt es wie immer auch ein Begleitprogramm: Zusammen mit dem Straßenmagazin „Hempels“, das von Obdachlosen in ganz Norddeutschland verkauft wird, wird es am 30. November einen Abend der Wohnungslosigkeit geben mit einer Lesung von Schriftsteller Markus Ostermair, der aus seinem Roman „Der Sandler“ vortragen wird. Dazu wird es eine Gesprächsrunde mit Vertreter/innen von Hempels, der Vorwerker Diakonie, der AWO und dem Herzenswärmebus zu Mythen und Fakten rund um das Thema Obdachlosigkeit in Lübeck geben. Alles im Günter-Grass-Haus.


Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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