Foto: (c) Deichtorhallen, Henning Rogge

Ausstellung in den Deichtorhallen
Otto Dix und die Gegenwart

Die Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg ist beklemmend aktuell, politisch aufgeladen und unglaublich schön!

Als Meilenstein der Kunstgeschichte lobte Dirk Luckow, der Leiter der Deichtorhallen in Hamburg die aktuelle Schau mit über 50 Werken von Otto Dix, die teilweise schwer zu bekommen waren und insgesamt ca. 150 Arbeiten von 51 Künstler/innen aus aller Welt. Die Dix-Expertin und Kuratorin der Ausstellung, Ina Jessen hat vier Jahre zum Thema geforscht und ihre Kontakte zu den verschiedensten Künstlern weltweit genutzt, um ein umfassendes Verknüpfungspotenzial von Themen aus dem Oeuvre von Otto Dix mit Werken der Gegenwartskunst zu verwirklichen.

Dirk Luckow (Leitung Deichtorhallen) und Ina Jessen (Kuratorin), Foto: (c) Holger KistenmacherDirk Luckow (Leitung Deichtorhallen) und Ina Jessen (Kuratorin), Foto: (c) Holger Kistenmacher

Der 1891 geborene und 1969 verstorbene Otto Dix gilt als epochaler Künstler der modernen Kunstgeschichte und ein ewiger Chronist seiner Zeit. Er erlangte früh Bekanntschaft durch seine schonungslosen und realitätsnahen Darstellungen der deutschen Gesellschaft während der Weimarer Republik und der Grausamkeit des Krieges. Zusammen mit Georg Grosz und Max Beckmann wird er als wichtigster Vertreter der Neuen Sachlichkeit betrachtet. Er war aber auch Dadaist, Expressionist und entarteter Künstler. Während der Nazi-Diktatur wurde er zunächst verfemt, dann zensiert und später gänzlich verboten. Dabei blieb sein Spätwerk aus teils subversiven, teils subtilen Landschaftsdarstellungen, Auftrags-Portraits und ab 1937 christlich-allegorischen Motiven oft übersehen. Auf diesen Zeitraum während seiner Drangsalierung unter den Nazis hat die Kuratorin ein besonderes Augenmerk gelegt.

Natürlich sind seine radikalen und provokativen Arbeiten aus den 20er bis 30er Jahren bis heute am populärsten, weil sie der damaligen Gesellschaft mit all seiner Brutalität und Lust den Spiegel vorhällt. Davon zeugt zum Beispiel sein Großstadtleben-Triptychon, das in einer Reproduktion gezeigt wird. Doch ganz am Beginn der Schau gibt es ein seltenes Selbstbildnis des Künstlers an der Staffelei, wo aber ganz subtil hinter dem roten Vorhang im Hintergrund eine bedrohliche Landschaft erscheint. Dann folgt das „Mädchen vor dem Spiegel“, das zunächst einen Skandal auslöste, einen Prozess gegen ihn in Gang setzte, den er schlussendlich gewann. Den Nazis bot das Bild aber die Gelegenheit, den Künstler zu zensieren und zu drangsalieren und dann zu einem vermeintlich unpolitischem Schaffen zu drängen.

Otto Dix: Großsstadt, Triptychon, 1927/28Otto Dix: Großsstadt, Triptychon, 1927/28

Trotz allem haben seine Werke bis heute nichts an Brisanz verloren. Das Endzeitliche, Kriegerische und Brutale in seinen Werken, ob direkt oder subtil hat schon seit Jahren viele Künstler und Künstlerinnen in aller Welt inspiriert. So arbeitet sich auch bis heute unser Groß-Künstler Anselm Kiefer an Krieg und Verrohung ab. Der in Frankreich lebende Künstler ist mit seinen überdimensionalen Werken vertreten.

Die in insgesamt 7 Kapitel gegliederte Schau stellt dabei Werke von Dix Arbeiten der nationalen und internationalen Künstler gegenüber. Großstadt, Typenportraits, Altmeisterliches, Politische Landschaften, Zwischen den Kriegen, NS-Rezeption und das Groteske, sowie Allegorie und biblische Themen werden als Kapitel in der Gegenüberstellung deutlich. Die grandiose Performerin Marina Abramović hat schon 1997 in ihrem blutigen Video „Balkan Baroque“ die Brutalität von Kriegen dargestellt, als sie inmitten von blutigen Rinderknochen mit einer Bürste die Gebeine schrubbte. Oder der algerisch-französische Bildhauer Kader Attia zeigt geschundene Holzbüsten.

Foto: (c) Deichtorhallen, Henning RoggeFoto: (c) Deichtorhallen, Henning Rogge

Die wilden 20er Jahre der Großstadt sind in der Reproduktion seines Triptychons den Fotos von Nan Goldin gegenübergestellt, die die wilden Jahre von Drogen und Prostitution ablichtete. Dazu passt auch das Jazz-Bild von Faith Ringgold. Ergreifend und frappierend sind die Zusammenhänge im folgenden Raum, wo das Porträt von Dix „Mutter mit Kind“ mit der unglaublich lebendigen Skulptur von Ron Mueck korrespondiert, sowie mit dem Selbstportrait von Catherine Opie, wie sie ihr Baby säugt. Großartig. Daneben sind noch diverse Großkünstler/innen wie Monica Bonvicini, Katharina Sieverking, Tacita Dean, Nicole Eisenman, Zandile Tsabalala, Georg Baselitz, Cindy Sherman, Werner Tübke, Tobias Zielony und viele andere zu entdecken, um nur einige zu nennen.

Neben der Ausstellung gibt es wieder ein umfassendes Begleitprogramm, wie das Dixitorial, ein digitales Guide-System, ein Dix-Lab für Gross und Klein, sowie einen umfangreichen, mit vielen aufschlussreichen Beiträgen gestalteten Katalog für 48 Euro.

Unbedingt sehenswert und einen Kunstbesuch wert, findet Holger Kistenmacher.


Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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