Monika Frank (Kultursenatorin), Susanne Kasimir (Geschäftsführung NFL), Thomas Hailer (Künstlerische Leitung NFL)

Vorstellung des Film-Programms
Die 63. Nordischen Filmtage Lübeck

Ist das eigentlich symbolisch? Während das Team der NFL während der Presse-Konferenz im Park Inn Hotel Daten, Termine, Inhalte und Filme der 63. Nordischen Filmtage vorstellt, zieht die „Fata Morgana“, ein elegantes Segelboot im herbstlichen Licht der Trave an den Fenstern vorbei, wie schön! Hoffentlich kein Trugbild und das Festival fällt wieder aus wegen Scheiß-Corona!!!

Aber erstmal das Wichtigste zuerst: Die Filmtage finden statt und zwar hybrid. Das heißt, dass alle Filme des Festivals vor Publikum in den Kinos und anderen Veranstaltungsräumen gesehen werden können. Gleichzeitig soll das Rezept, die Filme auch digital anzubieten, was sich im letzten Jahr als sehr erfolgreich erwiesen hatte, beibehalten werden. Die dadurch neu erschlossenen Besucher, überwiegend junges Publikum, sollen weiter dabei bleiben. Ansonsten werden die geltenden Corona-Regeln des Landes Schleswig-Holstein eingehalten, will sagen 3G (Geimpft, Genesen und Getestet) soll konsequent eingehalten werden, so dass alle Kinostühle besetzt werden können. Darüber hinaus setzen die Organisatoren des Festivals auf Eigenverantwortung, Rücksichtnahme und Vernunft des Publikums. Gleichzeitig wird betont, dass die Lüftungsanlagen der teilnehmenden Kinos auf dem neuesten Stand der Technik seien. Schlangen von Leuten sollen möglichst vermieden werden durch Einbahnstraßen-Systeme und feste Sitzplatzkarten, auch für akkreditierte Journalisten.

Soweit die Theorie, jetzt zu den Filmen: An den 5 Festival-Tagen sollen insgesamt 133 Filme aller Kategorien gezeigt werden. Danach werden bei der Filmpreis-Gala im Lübecker Theater insgesamt 10 Filmpreise mit einem Preisgeld von fast 60.000 Euro verteilt. Einen besonderen Ehrenpreis für ihr Schaffen bekommt die großartige dänische Schauspielerin und Regisseurin Trine Dyrholm, die schon diverse Filme seit Jahren in Lübeck am Start hatte. So bekam sie auch mit Recht 2016 den Silbernen Bären für ihre Rolle in Thomas Vinterbergs Film „Die Kommune“ in Berlin. Anlässlich der Hommage werden bei den Filmtagen 5 ihrer Filme gezeigt, u.a. „Love is all you need“ von Susanne Bier aus dem Jahre 2012, „Nico“ von Susanna Nicchiarelli (2017) oder „Queen of Hearts“ von May el-Thouky (2019). Unbedingt mal wieder anschauen!

Monika Frank und Susanne KasimirMonika Frank und Susanne Kasimir

Eröffnet wird das Festival durch die satirische Cop-Killer-Komödie „Cop Secret“ vom isländischen Regisseur Hannes Por Halldorsson. Witzigerweise ist der Regisseur im „Neben-Beruf“ auch noch der Torwart der isländischen Fußball-National-Mannschaft, was beweist, dass das kleine Land im Nord-Atlantik unglaubliche Berufs-Modelle erschafft, da das kleine Land nur ca. 350.000 Einwohner hat und alle Jobs zwischen Premierminister, Spitzensportler, Filmemacher, Dorfpolizist, Schaf-Züchter, Handwerker oder Musiker und Dichter besetzen muss. Der Film selbst ist eine gelungene Gratwanderung zwischen Polizeithriller und deren Parodie, aber mit viel Action - unbedingt sehenswert!

Dazu stehen insgesamt 14 Filme im Spielfilm-Programm, die um den ersten Preis konkurrieren. Wie der künstlerische Leiter der NFL, Thomas Hailer betonte, scheinen die Filmschaffenden wieder Lust auf die Welt zu haben. So zeigt der Finne Juhu Kuosmanen mit seinem Film „Abteil Nr.6“ ein heiteres Road-Movie zwischen Moskau und Murmansk. Der gute alte NFL-Bekannte Bent Hamer (Kitchen-Story) hat in den USA einen Streifen gedreht, der zeigt, dass ein Unglück selten allein kommt: „The Middle Man“. Ebenfalls aus Island kommt ein weiteres Highlight des Festivals: ein Genrefilm zwischen subtilen Horror und Realität, Fiktion und nordischen Mythologien. Dabei spielt in dem Film „Lamb“ von Valdemar Johansson die wunderbare Naomi Rapace die Hauptrolle.

Thomas HailerThomas Hailer

Estland kommt mit einem Neo-Western daher: „The Last Ones“ von Heiko Öunpuu. Unglaubliche Landschaften treffen auf endlose Weiten in der Tundra Lapplands. Spannend dürfte auch der schwedische Beitrag von Nina Thyberg: „Pleasure“ werden. Darin reist Bella Cherry aus Schweden nach Los Angeles, um Pornostar zu werden. Dazu kommt noch ein historischer Kostümfilm „Margarete - Queen of the North, ein blutig-subtiler Horrorfilm mit Kindern von Eskil Vogt aus Norwegen: „The Innocents“ oder ein Film, der in Costa Rica spielt und von einer strenggläubigen Mutter erzählt, die einsam im Urwald lebt: „Clara Sola“ von Nathalie Alvarez Mesen aus Schweden.

In der Dokumentar-Film-Sektion richten viele Regisseure ihren Blick auf die Heimat, woher ihre Eltern kommen. Hauptthemen sind Familie, Flucht oder LBGT. Dabei stammen wunderbarerweise schon 42% der Filme von Frauen, was dem Ziel 50-50-Anteile Männer und Frauen schon sehr nahe kommt, wie Thomas Heiler erfreut feststellte. Im Kurztrailer vorgestellt wurde zum Beispiel der schwedische Film „Sabaya“ über jesidische Sex-Sklavinnen, die vom IS selbst noch in syrischen Gefangenenlagern versteckt und drangsaliert werden. Daneben geht es um Flucht wie in „Free“ vom Dänen Jonas Power Rasmussen oder um lustige Queer-Geschichten wie in dem LGBT-Streifen „Prejudice and Pride“, einer illustrierten Achterbahnfahrt durch gut 100 Jahre queere schwedische Filmgeschichte. Oder der Film „Gabi“ zwischen 8 und 13 Jahren, wobei die Fußball-begeisterte Gabi sich nicht für eine Rolle als Junge oder Mädchen festlegen möchte. Regie: Engeli Bromberg aus Schweden.

Susanne KasimirSusanne Kasimir

Lilly Hartwig, die als Verantwortliche für die Filme des Filmforums zuständig ist, war besonders stolz auf die Quote: Die Frauenquote bei den gezeigten Filmen liege bei 15 zu 16, also knapp unter der 50Prozent-Marke. In den gezeigten Streifen geht es meist darum, zu klären, wie wir zukünftig leben wollen in Zeiten von Globalisierung, Corona und Klimawandel. Als Beispiel sei hier der Film „Alles, was wir brauchen“ über einen von der Dorf-Gemeinschaft im schleswig-holsteinischen Dorf Delve getragenen Dorfladen und die Grundversorgung auf dem Land.

Lustig absurd wird es mal wieder bei den Kurzfilmen, geschaffen von jungen Regisseuren/innen, die in nächster Zukunft die Regie-Stars der Lang-Filme sein werden. Schelmisch grinsend präsentierte Sebastian Apel dabei den Trailer für „Night of the Living Dicks“ vom Finnen Ilja Rautsi. Es geht um einen Parlamentarier, der einer Frau ungewollt ein sogenanntes Dick-Pic schickt. Venda hat allerdings eine spezielle Brille, die buchstäblich Männer enttarnt, die „Dickheads“ sind. Ein anarchisches Sittenbild toxischer Männlichkeit, erzählt mit bissiger Ironie. Weitere 23 Kurzfilme erwarten ihre Liebhaber.



Ich könnte jetzt noch unendlich weiter spoilern, was so alles kommt, aber lassen sie sich überraschen. Das Programm wird auf jeden Fall großartig. Wie üblich werden alle Filme und der Zeitplan wieder am letzten Wochenende vor dem Festival in der Wochenend-Ausgabe der LN vorgestellt. Der Vorverkauf beginnt am 30. Oktober um 15 Uhr und online lässt sich natürlich auch fast alles auf der Seite der Nordischen Filmtage nachlesen. Langsam wächst die Spannung, dass sich alle Filmfreunde des Nordischen Films endlich wieder treffen können, um gemeinsam zu lachen, weinen, staunen und wütend zu sein, wenn der Vorhang zu den 63. Filmtagen in Lübeck aufgeht. Ich freue mich total!

Fotos: Holger Kistenmacher

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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