Die Desistance-Forschung beschäftigt sich mit der Frage, weshalb Menschen eine ‘kriminelle Karriere’ abbrechen. Auch nach einem langjährig von Straftaten geprägten Leben kommt es oft noch zu einem nachhaltigen Ausstieg. Die Desistance-Forschung überwindet die traditionelle Fragestellung der Kriminologie nach den Ursachen von Kriminalität. Statt erklären zu wollen, warum man damit anfängt, Straftaten zu begehen, fragt sie, weshalb man wieder damit aufhört. Es wird nicht untersucht, wie sich Straffällige von anderen Menschen unterscheiden, die weniger mit Straftaten auffallen. Statt den Blick auf das individuelle Rückfallrisiko zu konzentrieren, geht es darum herauszufinden, welche Wendepunkte und Entwicklungen zu einem Wandel beitragen, wenn ein solcher gelingt. Es wird auch gefragt, wie ein solcher Ausstiegsprozess unterstützt werden kann.
Der Vortrag erläutert Perspektiven und Erkenntnisse der Desistance-Forschung. Die Unterschiede zu einer an Risikofaktoren, Prognosen und standardisierten Behandlungsprogrammen orientierten Forschung werden herausgearbeitet. Es wird gezeigt, welche Schlussfolgerungen sich für die Soziale Arbeit mit Gefangenen, Haftentlassenen und von Haft Bedrohten ableiten lassen.
Prof. Dr. Christine M. Graebsch ist Juristin und Kriminologin, Hochschullehrerin für Recht der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Dortmund, Leiterin des Strafvollzugsarchivs und Lehrbeauftragte an den Universitäten Bremen und Hamburg.