„In meiner Kindheit war ich ein Gefangener des alten und des neuen Westens. Mein Clan bewohnte die beiden Viertel damals in einer Haltung, die gemischt war aus Verbissenheit und Selbstgefühl und die aus ihnen ein Ghetto machte, das er als sein Leben betrachtete. In dieses Quartier Besitzender blieb ich geschlossen, ohne um ein anderes zu wissen. Die Armen, für die reichen Kinder meines Alters gab es sie nur als Bettler. Und es war ein großer Fortschritt der Erkenntnis, als mir zum erstenmal die Armut in der Schmach der schlechtbezahlten Arbeit dämmerte. Das war in einer kleinen Niederschrift, vielleicht der ersten, die ich ganz für mich verfasste…..“
Das Zitat stammt aus dem kleinen Buch „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ von Walter Benjamin. Es ist 1950 bei Suhrkamp erschienen. 10 Jahre nach seinem Tod. 

Wer hat noch nichts von ihm gelesen? Wenigstens ein paar Zitate. Wer nicht über ihn? Über sein Leben, sein umfangreiches Werk, seinen Freitod in Spanien auf der Flucht vor der Nazis. Es ist vieles über ihn bekannt. Als Schriftsteller, Philosoph, als Kulturkritiker. Er war Kultfigur der rebellischen Studenten der 60iger Jahre. 
Aber es gibt noch einen unbekannten Walter Benjamin: den Mann des frühen deutschen Rundfunks. 

Zwischen 1927 und 1933 hat er für die Rundfunkgesellschaft Funkstunde AG, Berlin, und die Südwestdeutsche Rundfunk AG, Frankfurt, Sendungen für Kinder geschrieben und für Jugendliche. Hörbilder und Hörspiele.Die Manuskripte von 85 von ihnen sind erhalten, versunken in den Archiven. Sie sind es wert, wieder herausgeholt zu werden. Wie die Skizzensammlung „Berliner Kindheit um 1900“.

JÜRGEN SCHRÖDER-JAHN, geboren 1936, hat sein Berufsleben lang für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet. Vor allem für den NDR. Als Autor und Regisseur von Dokumentationen im Fernsehen, aber auch im Hörfunk. Die meisten seiner Sendungen hatten sozialpolitische Themen. Wie die von Walter Benjamin.