Wenn Lübecker*innen auf das als Walli bekannte Areal gegenüber der MuK strömen und mit Kind & Kegel in bespaßten Schlangen an den Kassen stehen, ist wieder das Maifest angesagt. Dann feiern Tausende in einem bunten Kaleidoskop aus toller Musik, Kinderfreuden, Speis & Trank und werden Teil der alternativen Kultur in Lübeck. In der Vergangenheit wurde lange um das „Filetstück“ zwischen Travekanal & Willy-Brandt-Allee gerungen. Der Kampf hat sich gelohnt. Denn heute ist die alternative e.V. eines der letzten autonomen Kultur-, Jugend- & Politzentren Deutschlands. Rein basisdemokratisch organisiert bietet es (sub- & inter-)kulturelle Vielfalt, Zuflucht- & Entfaltungsraum für neue Lebensentwürfe & Protestbewegungen. Und das, ganz ohne Subventionierung. Ein Refugium, auf das Lübeck stolz sein kann. Denn die Akzeptanz des Andersseins ist ein Gut mit dem sich nicht viele Städte hierzulande schmücken können.

Zum 45-jährigen Bestehen der alternative wird sich das Maifest diverser & facettenreicher denn je präsentieren. Beginnend mit einem aufwendigen Kinderfest ab 14 Uhr mit vielen Attraktionen zum Mitmachen & Zuschauen. Es locken über 30 Spielstände vom Bauwagen basteln über Glitzertatoos machen und Torwandtorschießen bis hin zum Schweinekarussel. Vom Luftballonknoter Tommy Blue über Graffiti-Workshop bis zum Trommelworkshop mit Zamble. Auch der Clown Maxi Knoop, der Puppenspieler Norbert Lorenz, Frau Rettich und ihr erster Fall, der Ostseepirat mit Weltumseglung, die Sängerin Gesa Daniel, die Improshow Instant SL, die Lübecker Capoeira-Tanzgruppe und der Chor „Sound of our Lifes“ werden ein staunendes Publikum finden.

Ab 17 Uhr beginnt das Musikprogramm mit 22 Acts auf 6 Bühnen. Darunter auch internationale Bands wie die Postcards aus dem Libanon. Im Falle dieser Band liegt es auf der Hand, den Reiz des Exotischen zu beschwören, doch würde man damit den Postcards keinesfalls gerecht. Der markante Dream-Pop dieser Band verrät seine Provenienz nie. Denn in ihrer Musik trifft melodischer Feinklang auf den genretypischen Gitarrensound und einen Gesang, der im Ausdruck seinesgleichen sucht. Julia Sabra verfügt über einen Vortrag, der alle Verlorenheit und Sehnsucht fast beiläufig ins Mikro haucht.

Ganz anders HC Baxxter. Ein Typ, den man nicht erfinden kann. Tippi toppi Zeckenkirmespunk, sehr partytanzbar, unterhaltsam und umtriebig und zudem politisch geradeaus. Kirmestechno trifft 90er und Deutschpunk. Das Herz am richtigen Fleck sprengt jede S(ch)ubladenkultur.

Den Abschluss auf der großen Stadtgrabenbühne werden Bella’s Bartok aus Amherst, Massachusetts bestreiten. Ihr mitreißendes ZurkusPunk-Powerhouse-Spektakel, angereichert mit Klezmer- & Polka-Tunes, wirkt wie ein Dance.Booster.

Kochkraft durch KMA liefern deutschsprachigen Elektropunk, in Gestalt einer saftigen Ohrfeige serviert mit viel Energie, viel Liebe, viel Wut und ein bisschen Quatsch. Immer dem Kochkraft-Imperativ folgend: Sei kein Arsch! Die Band hat mit hrer Gründung im Handstreich das Genre „Neue Deutsche Kelle“ erfunden. Ein bisschen „Neue Deutsche Welle“, aber ungleich härter.

Aus Österreich kommen Tasheeno zum Maifest. Ihr Electronic Afro Dub kommt mit hypnotischen Arrangements daher. Dabei bedienen sie sich einer Mischung aus analogen und synthetischen Instrumenten und Klangerzeugern, wie auch Samples & der Einsatz von einer Bläser-Section im ungewohnten Stil, die das hybride Groove-Konzept weiter betont.

Und zum Abschluss der kleinen Tour von Beispielen zur musikalischen Diversität beim Maifest, Ska-T. Eine Formation mit großer Geschichte. Um die Jahrtausendwende gehörten Ska-T zu den bekanntesten und innovativsten Ska-Punk-Bands Deutschlands. Aus dem Harz ging es nach Leipzig, Berlin und Potsdam und in die Welt: Sie spielten zwischen 1997 und 2007 hunderte Konzerte, bereisten ein halbes Dutzend Länder, brachten Tausende Tanzwütige ins Schwitzen, trällerten mit Udo Lindenberg auf der Rockpalast-Bühne und hatten vor allem jede Menge Spaß.

Foto: (c) Katja Vintz