Helmut Huss von der Tischlerei Otto Heick, Foto: Hansestadt Lübeck

Theater Lübeck
Zum Staunen: Das neue Sitzgefühl im Theater und Lübecks Mäzenatentum

In Lübecks Jugendstil-Theater ist wieder gut zu sitzen. Vor 111 Jahre begann in dem imposanten Gebäude, das nach dem Entwurf des Münchner Architekten Martin Dülfer entstand, die erste Spielzeit. Inzwischen ist das Gebäude denkmalgeschützt und eine Diva geworden, imponierend in ihrem Erscheinungsbild, innen und außen.

Das zu erhalten, helfen allerdings oberflächliche Schönheitskuren nicht. Wie es bei alten Gebäuden nun einmal ist, muss ständig irgendetwas an der Substanz erneuert werden, vor allem, wenn sie durch einen lebendigen Spielbetrieb vielseitig beansprucht wird. Jetzt war das Gestühl „dran“. Es wurde mit großer Kraftanstrengung in den Sommerferien restauriert, ohne den Spielbetrieb zu beeinträchtigen. Sorgfältigste Planung durch die Verantwortlichen im Haus und in der Stadt und termingetreues Arbeiten der Lübecker Firmen brachte zuwege, dass die knapp 800 Sitze aus- und wieder eingebaut, zwischenzeitlich aufgepolstert und die Klappmechaniken ausgebessert wurden.

Außerdem bekam das Parkett eine Verjüngung wie auch die Klimatechnik im Fußboden sowie die Wände, die ebenfalls in den Jahren gelitten hatten. Da forderte der Denkmalschutz besonderen Aufwand. So wurden nach dem Muster von wenigen Restbeständen originalgetrau neue Rollen hergestellt. Sie zu verarbeiten mussten eigens Handwerker gefunden werden, die den Umgang damit noch beherrschten.

Lorena Paz Nieto (María) aus María de Buenos Aires, Foto: (c) Olaf MalzahnLorena Paz Nieto (María) aus María de Buenos Aires, Foto: (c) Olaf MalzahnWer darum wusste, konnte das Ergebnis am 25. August, pünktlich zum Beginn der neuen Saison mit Astor Piazzollas Tango-Operita „María de Buenos Aires“ bestaunen, zumindest das, was dem Zuschauer sichtbar ist. Denn auch auf der Bühne war einiges nötig, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Noch einmal sei 111 Jahre zurückgeblickt. Emil Possehl, 1850 geboren, Kaufmann, Senator und großzügiger Mäzen, stiftete damals seiner Heimatstadt Lübeck ein neues Theater. Das alte war marode und musste geschlossen werden, es erfüllte die Anforderungen an den Feuerschutz nicht mehr.

Für den großen Stifter blieb nur wenig Zeit zu erleben, was das neue Haus bot. Er starb nach der ersten Hälfte der ersten Spielzeit. Doch immer noch ist die nach ihm benannte Possehl-Stiftung dem Theater verbunden. Als sie im Mai dieses Jahres das 100 jährige Bestehen feierte, geschah das natürlich im Theater. Doch das ist nicht alles. Die Verantwortlichen in der Stiftung stehen auch anderweitig zum Theater, fördern z. B. dauerhaft die so segensreiche Zusammenarbeit mit der Musikhochschule im Internationalen Opernelitestudio und in der Orchesterakademie und lassen zurzeit die Bühnentechnik im Großen Haus sanieren.

Helmut Huss von der Tischlerei Otto Heick baut den letzten Stuhl ein, Foto: Hansestadt LübeckHelmut Huss von der Tischlerei Otto Heick baut den letzten Stuhl ein, Foto: Hansestadt LübeckDie prekäre Finanzlage des Theaters hätte all das oben Berichtete verhindert. Mäzenatentum war wieder einmal gefragt. Die aber zeichnet Lübeck in großem Maße aus. Für die Bestuhlung setzte sich vor allem die Gesellschaft der Theaterfreunde Lübeck e.V. ein, die GTL, die schon einmal bei einer mehrjährigen Renovierung in den 90er Jahren die Erneuerung durch ihre Paten-Aktion ermöglichte. Auch jetzt sind nach Aussage der Vorsitzenden Anne-Dore Brütt-Schwertfeger und ihrer Vertreterin Pia Walter etliche der Sitze „verkauft“ und mit Plaketten versehen. Dahinter steht nicht nur materielle Potenz und Geberfreude. Es verbirgt sich viel Privates, teils Berührendes.

Manche der kleinen Schildchen tragen den Namen von Kindern der Stifter, auch den gerade geborener. Eine Spenderin ließ den ihres verstorbenen Ehemannes eingravieren. Etliche, darunter K. Berndt, wünschten sich zu ihrem runden Geburtstag Geld für eine Patenschaft, sogar die Braunschweiger Fahron-Stiftung erwarb einen Sitz zur Erinnerung an ihre Stifterin, die gern das Lübecker Theater besuchte. Auf dem Stuhl Nr. 201 ist „Jan Lindenau“ zu lesen, der Name von Lübecks Bürgermeister. Je sechs Stühle spendeten der Kiwanis Club in Lübeck und der Lions Club in Neustadt. Motive gibt es genug. Sie alle zeugen von der Breite der Begeisterung für das Lübecker Theater.

Da nicht alle Sitze verkauft sind, sind Spenden in jeder beliebigen Höhe weiterhin nötig, auch kleinere für eine Armlehne oder vielleicht nur das Rückenpolster.

Kontaktperson für die GTL ist die Stellvertretende Vorsitzende Pia Walter, zu erreichen über Tel. 0170/7153541 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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