Eigentlich war das Band-Projekt von „The Smile“ nur als Fingerübung in Corona-Zeiten gedacht. Die beiden Radiohead-Kollegen Thom Yorke und Jonny Greenwood trafen sich im Studio, um ihre Langeweile zu bekämpfen, als ihre Haupt-Band zwangsläufig pausieren musste. Heraus kam eine erste Single: „You will never work in Television again“, eine Mischung aus komplexen Rhythmen und perfekten Harmonien.
Der Name der Band „The Smile“ stammt aus einem Gedicht von Ted Hughes, wobei sich das Lächeln keineswegs auf den fröhlichen Gesichtsausdruck eines freundlichen Menschen bezieht, sondern von einer Person stammt, die einen tagtäglich angelogen hat, wie Thom Yorke einmal in einem Interview erzählte. Dementsprechend gab es ein fast zweistündiges Konzert zwischen Melancholie, Wut und Tanz-Spass.
Dabei sah es Anfangs gar nicht nach einem gelungenem Konzertabend aus. Zwar legte der als Vorprogramm gebuchte Elektro-Freak James Holden, unterstützt von einem Waldhorn-Bläser mit groovenden Blubber-Sounds, zum Tanzen einen wunderbaren Teppich aus, der vom frühen Publikum auch entsprechend gefeiert wurde, aber das typische Hamburger Schmuddelwetter ließ die Besucher früh nach den Plastik-Regen-Schützern rumkramen.
Doch rechtzeitig zum Beginn der Show von „The Smile“ hörte der fiese Fisselregen auf. Gut gelaunt tänzelte der charismatische Sänger und Mastermind von „Radiohead“ Tom Yorke auf die Bühne. Eher introvertiert trottete Jonny Greenwood mit tief im Gesicht hängendem Hoody hinterher. Dynamisch legte Tom Skinner los, der eigentlich Drummer bei den wunderbaren „Sons of Kemet“ ist, mit einer Lockerheit aber Präzision, die staunen machten. Die ersten Nummern, die allesamt von den beiden Alben „A Light For Attracting Attention“ von 2022 und dem neuen Album „Wall of Eyes“ stammten, gingen sofort ins Ohr und die Tanzbeine.
Songs, die jenseits von Mainstream und dreieinhalb Minuten Charttauglichkeit liegen und teilweise vor sich hin mäandern. Irgendwo zwischen Kraut- und Prog-Rock angesiedelt sind die Stücke meist sehr komplex, wechseln mittunter Tempo und Stimmung oder arten in psychedelische Elektrospielereien aus. Entrückt singt der charismatische Sänger Thom Yorke dabei mit seiner Falsettstimme in höchsten Tönen über Dissoziation und Alkohol (Is that still you? With the follow eyes.), dem Titeltrack von „Wall of Eyes“.
Ein Song, wie auch das gesamte Konzert wie ein Fluss, bis wieder die treibenden Drums von Skinner und der prägnante Bass krachend dazwischen fährt. Greenwood, der seinen Bass teilweise mit dem Geigenbogen bearbeitet, spielt aber auch Gitarre und sogar Harfe, während auch Yorke ständig das Musikinstrument wechselt. Als Multi-Instrumentalist spielt er verschiedene Gitarren zwischen Akustik und Elektrisch, Bass, aber auch Piano und Keyboards. Dazu kommt sein klagender, teilweise richtig beleidigt wirkender, jaulender Gesang. Leichtfüssig tänzelt er dabei lustig und süß, wie einige Damen im Publikum meinten, über die Bühne und fordert das Publikum zu Jubelstürmen heraus.
Dabei ist auch die Bühnenshow erstklassig: Hervorragender Sound paart sich mit wunderbarem Licht aus einem gitterförmigen Hintergrund aus LED-Leuchtbändern und darüber laufenden Videos, die die Musiker im Detail zeigen, sehr kunstvoll und elegant. Dazu zaubert die Band ihre mitunter fast 8-minütigen komplexen Songs, die lässig und leichtfüssig, dann wieder rockig groovend zwischen Leichtigkeit und Drang daher kommen. Die eingestreute Elektronik, sowie Hall und Echos verstärken den Sog ins Psychedelische und verleiten manchmal zum verträumten Weg-Dimmen, bis man wieder einen komplexen Rhythmuswechsel hört und das Tanzbein nicht still stehen will.
Ein wunderbarer, stilvoller Musikabend mit einer großartigen Band voller absoluter Könner, der noch lange im Ohr und im Gedächtnis bleiben wird. Nach drei Zugaben hieß es dann „Hamburg - good night!
Fotos: (c) Holger Kistenmacher