Semyon Bychkov und die Elbphilharmoniker, Foto: (c) Claudia Höhne

Viertes Konzert der Elbphilharmoniker
Semyon Bychkov – ein Garant für das Besondere

Nicht wie gewohnt stark besucht war das vierte Saisonkonzert der Elbphilharmoniker (25. Januar 2019). Zwei Gründe können das Interesse vermindert haben, das ungewisse, plötzlich mit viel Schnee auftretende Winterwetter zum einen, zum anderen das Handballspiel zur WM, das gleichzeitig lief.

Wir mögen den zweiten Grund nicht gelten lassen, aber merkwürdig viele Plätze, auch von Abonnenten, blieben unbesetzt. Warum das bedenkenswert ist? Es war ein Programm, das eigentlich den Saal hätte füllen müssen. Eine Rarität eines sehr geschätzten Komponisten wurde geboten, Tschaikowskys 2. Klavierkonzert, und dann, als andere Attraktion, die ersten drei Sätze aus Smetanas sechsteiligem Zyklus „Mein Vaterland“, darunter die in allen Köpfen verankerte „Moldau“.

Und noch ein Trumpf hätte stechen müssen: Die Elbphilharmoniker hatten an diesem Abend einen bekannten und geschätzten Dirigenten dabei. Er war nicht zum ersten Mal an diesem Ort mit ihnen aufgetreten, Semyon Bychkov, 1952 in Petersburg geboren. Seit Beginn dieser Saison ist er Chef der Tschechischen Philharmonie Prag, musste also zu dem Programm einen besonderen Bezug haben.

Für den ersten Teil hatte er einmal nicht das allbekannte b-Moll-Klavierkonzert gewählt, sondern das weit seltener aufgeführte zweite in G-Dur. In seinem Landsmann Kirill Gerstein, 1979 in Russland geboren, hatte er zudem einen Solisten mit einer außergewöhnlichen Entwicklung. Mit 12 Jahren kam er nach Boston, studierte zuerst Jazz, um sich später erst voll der Klassik zuzuwenden. Etwas von dem Gefühl für das leichte Einbinden von Passagen im Wechselspiel mit den anderen Musizierenden war bei seiner Interpretation des besonderen Klavierwerkes zu erspüren. Denn es verlangt eine enorme technische Sicherheit, seine rasanten Tonkaskaden rank und schlank zu bewältigen. Sie aber sind gleichzeitig das Problem dieser Komposition, die reich bestückt ist mit solchen Passagen und kadenzierenden Partien.

Kirill Gerstein, Foto: (c) Claudia HöhneKirill Gerstein, Foto: (c) Claudia Höhne

Dennoch ist das Werk von spannender Gestaltung, vor allem in dem langsamen Teil, der zu einem Klaviertrio mit obligatem Orchester wird. Violine und Cello werden zu zwei bedeutsamen Partnern des Pianisten, wunderbar gestaltet von Roland Greutter und Andreas Grünkorn, bevor der im dritten Satz wieder mit seinen rasanten pianistischen Aufgaben allein im Vordergrund steht. Bychkov wurde dabei mit dem sehr aufmerksamen Orchester ein großartiger Partner.

Wie groß Bychkovs dirigentische Fähigkeiten sind, bewies er dann noch einmal in den bildhaften, poetischen Malereien, mit denen der Kosmopolit Bedřich Smetana seine Heimatliebe einfing. Ohne angestrengten Aufwand führte er, dennoch präzise und musikalisch eindringlich, wunderbar zu erleben gleich im ersten Teil.

„Vyšehrad“ ist der Name dieses Gemäldes. Zwei Harfen leiten ein, die alte Burg inmitten der Moldau zu beschwören und ihr dramatisches Schicksal nachempfinden zu lassen, bis sie versinkt. Ebenso konzentriert führte Bychkov das Orchester durch die Klangräume der „Vltava“, wie die Tschechen ihre Moldau nennen. Sehr melodisch und differenziert war das, solistisch in Flöten und Hörnern oder im Tutti. Das Orchester reagierte bewundernswert auf die kleinen Gesten, mit denen er die Dynamik des Hochzeitstanzes ausstattete, das Grau der Nebelschwaden beschwor oder die Wassermassen an den Stromschnellen bändigte.

Im dritten Bild „Šárka“, im Vernichtungskampf der Amazone Vlasta gegen die böhmischen Ritter, geht es wild und kraftvoll zu, ein effektvoller und mitreißender Abschluss eines Konzertes, das trotz seines eher konservativen Zuschnitts mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.


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