Jugendlicher Belcanto beim Arien- und Liederabend an der Musikhochschule

Ein Platz im Opernelitestudio ist bei jungen Sängern sehr begehrt. Sie profitieren von der Zusammenarbeit von Musikhochschule und Theater kräftig, denn die sechs Teilnehmer lassen sich nach vorher abgeschlossener Gesangsausbildung an der Musikhochschule ihren letzten Schliff geben und bekommen am Theater Lübeck durch Rollen in aktuellen Produktionen Praxiserfahrung. Die meisten sind an der Lady Macbeth von Mzensk, der mit großem Erfolg gerade neu inszenierten Oper Schostakowitschs, beteiligt, werden auch in den noch folgenden Inszenierungen dabei sein. In jedem Semester gestalten sie zudem einen Arien- und Liederabend im Großen Saal der Musikhochschule.

Auch diesmal (16. März 2016) versuchte man einen roten Faden in die Beiträge zu bringen. Trennung und Abwesenheit, der damit verbundene Schmerz oder die Sehnsucht sind in vielen Opern Motiv. So begann der Reigen mit Verdis La Traviata, aus der Guillermo Valdés Alfredos Cabaletta Dei miei bollenti spiriti aus dem 2. Akt sang. Das war ein fulminanter Beginn, den der junge Tenor aus Santiago gestaltete und mit dem er zugleich Maßstäbe setzte.

Mit Schmelz und Kraft seiner Stimme beeindruckte er auch bei Arien von Gounod und in zwei Duetten, zunächst von Puccini aus La Bohème und zum Finale noch einmal im Duett mit dem Bariton Grzegorz Sobczak. Hier war es wieder Verdi, diesmal Dio, che nell‘alma infondere, der musikalisch begeisternde Treueschwur, mit dem sich Don Carlo und Marquis Posa im Don Carlo aneinander binden. Auch der Pole Grzegorz Sobczak hat einen festen, gut sitzenden Bariton, der im Duett mit dem Tenor wunderbar verschmolz. Richard Strauss, Korngold und Mozart im Solo, seine weiteren Beiträge, bewiesen eine breite stilistische Spanne.

Weil Katharina Kühn aus gesundheitlichen Gründen absagen musste, war Raffaela Lintl die einzige Frau unter vier Männern. Auch sie hat mit ihrer schönen und runden Stimme bereits große Sicherheit im Bühnengesang. Facettenreich und temperamentvoll gestaltete sie Arien von Puccini, Mozart und Johann Strauss, dessen Arie der Rosalinde Klänge der Heimat aus der Fledermaus hervorstach. Imponierend auch im Duett Mimi und Rudolfo O soave fanciulla zusammen mit Guillermo Valdés.

Der Tenor Hyungseok Lee, in Korea geboren, war schon in vielen Produktionen am Theater Lübeck eingesetzt. Mit einer Arie des mit Enrico Caruso befreundeten Italieners Tosti und einer aus Bizets Carmen, besonders aber mit dem sehr geschmackvoll gestalteten Dein ist mein ganzes Herz aus Lehárs Land des Lächelns gewann er großen Applaus. Mit seinem fülligen, sehr markanten Bass fiel sein Landsmann Seokhoon Moon auf. Seine Bühnenpräsenz ist ebenso überzeugend wie seine Stimme. Mit Tschaikowskys Goethe-Vertonung von Nur wer die Sehnsucht kennt, mit Verdi aus der schönen, doch eher düsteren Simon Boccanegra oder dem 1906 komponierten Lied Nebbie von Respighi, vor allem aber mit der grandios gestalteten Arie Son lo spirito che negra aus Boitos Mefistofele erntete er stürmischen Beifall.

Als Zugabe vereinten sich die fünf noch einmal im Brindisi, dem überschäumenden Trinklied aus Verdis La Traviata. Aber ohne die wie immer zuverlässig und immer wache Begleiterin am Klavier, ohne Mira Teofilova hätte dieser Abend wohl kaum die Ausstrahlung gehabt.  

Foto1: Raffaela Lintl und Guillermo Valdés, am Flügel Mira Teofilova, Fotograf: Arndt Voß 
Foto2: Raffaela Lintl, Fotograf: Arndt Voß
Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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