Jonathan Meeses Gesamtkunstwerk in Lübeck – der Versuch einer Annäherung
Buddhakopf verrückt oder ein riesengroßer Spielplatz für alle?

„Ist das Kunst oder kann das weg?“ war die Überschrift eines Artikels in den Lübecker Nachrichten. Auf einem Foto war der schiefe Mast vom Kohlmarkt abgebildet. Ganz einfach – Meese war’s! Jonathan Meese hat den Mast auf dem Weg von der St. Petri Kirche zum Günter Grass Haus einfach mal schiefer gelegt.

Nun im Ernst – viele Besucher der Installation in der St. Petri Kirche zu Beginn seiner Aktion „Gesamtkunstwerk Lübeck“ stellten sich eben diese Frage: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Aber Meese will uns doch nur einen Spiegel vorhalten und vieles von unserem Verhalten in Frage stellen. Ich mag Kunst und auch wenn ich nur einen sehr subjektiven Zugang dazu habe, finde ich die Anregungen, die durch das Betrachten entstehen, äußerst spannend. Dem Besucher sollte doch zumindest durch die Performance in der Kulturwerft Gollan das „Licht“ aufgegangen sein.

Schon lange vor Beginn der Veranstaltung waren diverse Vertreter der Medien anwesend, um das eine oder andere Interview zu führen. Dabei wurde, aus Versehen, die Schubkarre mit einem Buddhakopf, einem Teil des Environments in der Halle 2, verrückt. Ob das was macht? - Nein, es ist so, wie es ist!

Mehrere hundert Besucher fanden den Weg in die Kulturwerft Gollan zur Performance von Jonathan Meese. Es war die erste nach 6 Jahren, und die Hallen sind ein hervorragender Spielort für eine solche Veranstaltung. Neben der Eingangshalle, die mit einem über 20m langem Laufsteg ausgestattet war, wurde eine zweite Halle bespielt, die sofort vom einströmenden Publikum vereinnahmt wurde.

So brauchte es etwas Mühe von Thilo Gollan, das Publikum zum Beginn der Veranstaltung nach vorne zu locken. Nach den Eingangsreden betrat Meese den Laufsteg, wie bekannt in der Streifenjacke gekleidet und mit einigen Einkaufstaschen bepackt. Den gesamten Catwalk ablaufend, der mit diversen Utensilien, vor allem vorbereiteten Transparenten belegt war, noch einen Schluck Bier trinkend, zog er einen Trenchcoat an, über den er wiederum eine weitere Streifenjacke zog - und das, obwohl die Halle angenehm temperiert war. Aber das hat einen Hintergrund, ebenso wie die Masken, die er im Laufe des Abends noch aufgesetzt hat.

"Kind / Schlaf" war der Titel der Aktion, und das hat Meese wunderbar dargestellt. „Ich sehe keine Ideologie, wenn ich in das Gesicht eines Kindes schaue“, schrie er dem Publikum entgegen und machte deutlich, dass es nicht darum gehen kann, irgendwelchen Ideologien, egal ob es sich um die Anhäufung von Materie, Macht, Geld handelt, oder auch dem Sex nachzujagen, sondern dass es um das kindliche Spiel geht. Es ist für jeden möglich, zu Hause oder wo auch immer, eigene Performances zu „spielen“.

Halle 2 war mit den verschiedensten Transparenten an den Wänden, einer Großbildprojektion über der Eingangstür, einer Bühne sowie diversen beweglichen Installationen ausgestattet. Die Performance fand in drei Akten statt, dem Teil auf dem Catwalk, einem in Halle 2, sowie dem Schlussakt auf der Freifläche hinter den Hallen an der Trave, in der am Ende ein Würfel aus Styropor durch ein Tor und symbolisch in den Fluss geschoben wurde.

Ja! er hat den rechten Arm gehoben, und das hat hier und da mal wieder zur Verwirrung beigetragen. Es entstand eine Unterhaltung mit einer Besucherin, die eben diese Geste verwerflich fand. Vielleicht nicht verstehend, was Meese damit zum Ausdruck bringt. Sicher ist der „Gruß“ negativ belegt und eine Lübecker Fotografin sagte zu mir: „Das ist wie bei einem schrecklichen Unfall, man kann nicht aufhören dahin zu schauen“. Dabei will Meese doch nur eines: Macht Euch endlich frei von diesen Urteilen! - und war der Volkswagen „Käfer“ - von Hitler beauftragt, nicht eines der erfolgreichsten Automobile der Welt? Und wer hat sich dadurch peinlich berührt gefühlt?

Die Diktatur der Kunst ist eben jene „Ideologie“ die uns von vielem befreien kann – in dem Flow, in dem sich Kinder während des Spielens befinden, gehen sie voll und ganz in dem Spiel auf. Und das ist, was Meese, zumindest mir, mitgeteilt hat.


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