Foto: Genevieve Hanson, (c) Tom Sachs

Auf Weltraum-Mission mit Tom Sachs in den Deichtorhallen
Total abgespaced

Wieder einmal gelingt es den Hamburger Deichtorhallen, ihr Alleinstellungsmerkmal bezüglich Präsentationen künstlerischer Groß-Installation zu beweisen, wie Dirk Luckow bei der Vorstellung der gigantischen interstellaren Schau stolz betonte.

Vom 19. September 2021 bis zum 10. April 2022 begeben sich die Deichtorhallen mit dem amerikanischen Künstler Tom Sachs und seinem Team aus Bildhauer/innen und Astronautinnen auf eine All-Mission: Das Space Programm: Rare Earths (Seltene Erden). Diese vierte Ausstellung in Sachs´“Space Programm“ ist Teil seiner 13jährigen Erkundungsreise an die Grenzen anderer Welten und menschlicher Möglichkeiten zur Erforschung des Weltraums. Vorher gab es schon Reisen zum Mond, Mars und zur Venus. (New York, Washington und Los Angeles von 2006, 2012 und 2017). Diesmal soll die Reise zum Asteroiden 4-Vesta gehen, um dort nach Gold und Seltenen Erden zu forschen, um diese abzubauen. Diese soll es auf dem hellsten und erdnächsten Asteroiden geben, um den Hunger der Menschen nach moderner Technologie zu stillen.

Auf über 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche haben Tom Sachs und seine 15 Mitarbeiter seit über drei Wochen die Halle für aktuelle Kunst mit unzähligen großen und kleinen Bricolage-Arbeiten in eine interaktive Space-Landschaft verwandelt. Die „humane Vision“ besteht aus vielerlei humorvoller, poetischer und selbst gemachter Sperrholzkunst. Alle verwendeten Materialien (Plastik, Pappe, Schaumstoffplatten, Schrauben, Sperrholz und Heißkleber, etc.) wurden im Do-it-yourself-Verfahren von ihm und seinen Team in fantastische Weltraum-Utensilien verwandelt.

Foto: Genevieve Hanson, (c) Tom SachsFoto: Genevieve Hanson, (c) Tom SachsEs gibt Raumanzüge, Lande-Module, Mars-Rover, ein Mission-Control-Center, aber auch ein entspanntes Tee-Haus, ein Indoktrinations-Center, wo man selbst zum Teilnehmer der Mission per Ausweis werden kann, ein Mond-Museum und ein Bereich, wo sich jedermann dem Ritual der Transsubstantiation (Wesensverwandlung) unterziehen kann. Mit Hilfe eines MRT kann man sich auf eine virtuelle Reise der Reinigung begeben. Dafür braucht man den Pass aus der Indoktrination und muss sein Handy abgeben, damit man auch mental gereinigt werden kann.

All das ist natürlich eine riesige Herausforderung, aber auch ein Riesenspaß für die mutigen Ausstellungs-Besucher. Einen kleinen Vorgeschmack auf das gesamte Programm gab Tom Sachs für die angereiste Presse-Schar, indem er einen 30-minütigen Kurz-Trip mit Landung auf dem Mars simulierte. Gesteuert vom Mission-Center mit seinen diversen Bildschirmen konnte man beobachten, wie 2 Astronautinnen Richtung Mars abhoben. Diese Aktionen wurden von seinen Mitarbeitern mit Hilfe von kleinen Installationen teilweise per Hand oder mit Äpfeln, aufblasbarer Erdkugel oder Mini-Rakete simuliert und per Kamera gefilmt. Diese ganzen Aktionen erschienen dann simultan auf den Bildschirmen, wo Sachs seine Anweisungen gab. Vorher musste natürlich alles gecheckt werden, wie zum Beispiel die Ernährungs-Reserven (Dosen voller Bohnen und diverse Flaschen Whiskey und Wodka ), auch Musik von Al Green musste im Rekorder stecken.

Foto: Genevieve Hanson, (c) Tom SachsFoto: Genevieve Hanson, (c) Tom SachsHerrlich absurd und hoch witzig, aber alles sehr ernst gemeint. Einerseits ist es dem Künstler wichtig, dass jeder sieht, wie billig alle Materialien sind. Er nennt es „Anti-Form-Poesie“. Gleichzeitig prangert er aber auch mit ausgiebig Video-Einsatz unsere alltägliche Überwachung an. Wo früher Nationen um den Weltraum im Wettkampf steckten, sind es heute private Personen, wie Elon Musk oder Jeff Bezos, die um den Gewinn aus dem Space buhlen. Und Tom Sachs mischt da mit seiner ausufernden Kunst kräftig und humorvoll mit.

Und für den geneigten Ausstellungs-Besucher ist das natürlich ein großes Abenteuer, eine sensationell vielschichtige Schau aus detailreichen Skulpturen und fantasievollen Performances, die er geboten bekommt. Es gibt irre viel zu entdecken, wie zum Beispiel im Tee-Haus die kleine Obi-Wan-Kenobi-Figur, oder die Beschriftungen der Stühle (von Jodi Foster bis Copernicus ) oder die Playboy-Utensilien, die Schnaps-Vorräte, usw.. Und natürlich darf auch eine Figur der „Dunklen Macht“, Darth Vader nicht fehlen. Also auf ins All mit dem fantastischen Tom Sachs in den Deichtorhallen Hamburg.

Weitere Infos unter www.deichtorhallen.de

Holger Kistenmacher
Holger Kistenmacher
Jahrgang 1956, freischaffender Journalist seit gut 25 Jahren, studierter Realschullehrer, praktizierender psychosozialer Betreuer, ambitionierter Fotograf und Kulturschreiber mit den Fachgebieten: Moderne Gegenwartskunst, Literatur, Musik zwischen Jazz und Rock, Nordische Filme, Moderner Tanz. Weltenbummler und Reisejournalist.

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