Klaus Häro

Nordische Filmtage 2009
„Post für Pastor Jakob“ – Interview mit dem finnischen Regisseur Klaus Härö

S. B.: Vermutlich haben nicht viele Zuschauer dieses Films ein Verbrechen begangen und können sich daher nicht eins zu eins mit dem Charakter der Figur Leila identifizieren. Warum, glauben Sie, berührt die Geschichte die Zuschauer? Ist Vergebung etwas, das jeden angeht?

K. H.: Das ist eine sehr gute Frage, denn normalerweise denken viele, wenn es um Themen wie Himmel und Hölle geht, um Themen wie Vergebung, sie seien ja keine Mörder, oder schlimmer als dieser und jener. Es geht nicht um das Vergleichen mit anderen Menschen. Es geht darum, in welcher Beziehung man zu Gott steht und dass man sich mit seinen Maßstäben misst. Wir machen alle Fehler, manche mehr, manche weniger. Im Christentum geht es nicht ums Vergleichen untereinander, wer besser oder schlechter oder ein besserer Christ ist. Es geht um Vergebung. Und um deine persönliche Beziehung zu Gott. Im Film hat Leila einen Mord begangen, und da ist es einfach zu sagen, „Ich habe ja niemanden getötet, Vergebung brauche ich nicht“. Das ist ein wichtiger Punkt. Man benutzt es vielleicht auch als eine Art Verteidigung, dass man ja kein so schlechter Mensch sei, um sich der Frage nach Vergebung zu stellen. Verglichen mit Gottes Maßstäben brauchen wir alle Vergebung. Das sollten wir nicht fürchten, sondern darauf sollten wir großen Wert legen. Wissen Sie, wir tun so viel für unseren Seelenfrieden, wir gehen zur Therapie, wir gönnen uns Massagen, Spa, Spaziergänge in der Natur, schöne Musik, was auch immer, das ist auch völlig okay. Aber es gibt nichts Befreienderes als ein reines Gewissen. Zu wissen, da ist zwar was, aber das ist jetzt bereinigt, und ich bin frei. Es ist so, als wäre man wieder Kind, und alles ist neu. Zu wissen, es wird einem die Möglichkeit zu einem Neustart gegeben. Keine Yoga-Meditation, kein Waldspaziergang, keine schöne Musik ist nur annähernd zu vergleichen mit dem befreienden Gefühl eines reinen Gewissens und so einem neuen Start. Jedem Menschen geht es irgendwann mal so, dass er sich wünscht, noch einmal neu beginnen zu können, Geschehenes ungeschehen machen zu können. Ich denke, wir brauchen alle Vergebung. Es ist etwas, das jeder in Anspruch nehmen sollte, denn es gibt nichts Befreienderes.

Filmstill aus 'Post für Pastor Jakob'Filmstill aus 'Post für Pastor Jakob'

S. B.: Heutzutage ist es nicht gerade populär, ein positives Bild vom Christentum, vom christlichen Glauben zu zeigen. In Filmen wird oftmals ein klischeehaftes Bild gezeichnet. War es nicht eine Art Risiko, einen Film mit einer offenen christlichen Message zu machen?

K. H.: Wenn ich einen Film mache, denke ich auch manchmal, dies könnte mein letzter Film sein. Was ich damit sagen will, ist, dass es mir egal ist, ob ich populär bin oder nicht. Ich kann mit meiner Arbeit nicht jedem gefallen. Ich mache einen Film, wenn ich ihn finanzieren kann. Post für Pastor Jakob war ursprünglich als Fernsehfilm geplant, mit einem kleinen Budget und freier Hand zu tun, was wir für richtig hielten. Mit einem kleinen Team und kleinem Budget hat man viel mehr Freiheiten. Es stimmt schon, Christen werden in Filmen oftmals als unglaubwürdige Menschen dargestellt, zum Beispiel als gewalttätige Fanatiker oder als raffgierige Gemeindeleiter, denen es nur um Geldmacherei geht. Das sind natürlich Klischees. Das gegensätzliche Klischee ist das von dem stets gutgläubigen, naiven Frommen, der zu gut für die Welt ist und den man ausnutzt und eher belächelt als ernst nimmt. Für mich bedeutet Christsein nicht etwas, das völlig aus der Welt ist. Gläubige Menschen kämpfen mit den gleichen Problemen wie andere. Darum ging es mir auch in dem Film, ein Christsein zu zeigen, das nah am Leben dran ist, an der Realität. In der Bibel gibt es einen Vers, „Gott ist im Himmel, aber er ist auch in unseren Herzen“. Das heißt, Gott ist majestätisch, aber er ist auch hier, in unserem Alltag. Ein wichtiger Punkt im Christentum ist, dass Gott nicht im Himmel blieb und unsere Bewunderung haben will, sondern er wurde ein Mensch, der unter ärmlichen Bedingungen geboren wurde und ein hartes Leben lebte. Jesus weiß, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, er hat das alles gesehen. Die größte Humanität, die ich kenne, ist Christus selbst, der so voller Anteilnahme und Verständnis ist. Dieses Bild vom Christentum wird im Film nicht oft gezeigt.

S. B.: Sie zeigen, wie Pastor Jakob laut betet und die Bibel zitiert.

K. H.: Diese Szene ist für beide Protagonisten wichtig. Ich wollte nicht einen Grad der Frömmigkeit des Pastors zeigen, sondern eher, wie Leilas Gefühlswelt aussieht. Sie findet es eher peinlich, Jakob beim Beten zu sehen. Sie fühlt sich unwohl und denkt vielleicht jetzt schon daran, den Ort zu verlassen.

S. B.: Im Anschluss an die Filmvorführung gestern sagten Sie, dass Sie sowohl in Ihrem persönlichen Leben als auch im Beruf als Filmemacher immer wieder mit einer Frage umgehen: Wenn einem im Leben alles wegbricht, was bleibt unter dem Strich übrig? Könnten Sie das noch ein wenig ausführen?

K. H.: Ich glaube, dass jeder Mensch seinen Wert in sich hat. Dass wir von Gott geschaffen sind, dass jemand uns gewollt hat, auch wenn wir uns nicht gewünscht fühlen. Wenn man sich nutzlos fühlt, man sich fühlt, als wäre man nichts wert. Man hat einen Wert nicht dadurch, was man leistet. Am Ende ist es nicht wichtig, was für Filme ich gemacht habe, wie viel Geld ich verdient habe oder ob ich großen Erfolg habe. Es geht darum, als Mensch gewollt zu sein, von demjenigen, der uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Wenn alles um einen herum wegbricht, dann ist es sinnlos, in sich selbst oder bei anderen nach Hilfe zu suchen. Es wirft einen auf die Existenzfragen des Lebens zurück, wer wir sind, was wir sind. Als Christ glaube ich, dass wir zu Gott zurückgehen sollten, um ihn zu fragen, „Warum bin ich hier, was soll das alles, wenn vieles so falsch läuft?“. Gott sagt dazu: „Du bist gar nicht hier, um alles richtig zu machen, sondern weil ich dich hier haben will und du eine Bedeutsamkeit hast.“ Meiner Meinung nach gibt es im Leben jedes Menschen Momente, in denen man sich wertlos fühlt, weil man total versagt hat. Dies Versagen ändert nichts an der Tatsache, dass wir in den Augen Gottes wertvoll sind.

S. B.: Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.

(Das  Interview wurde auf Englisch geführt und wird hier in gekürzter Fassung wiedergegeben.)

Post für Pastor Jakob (Postia pappi Jaakobille, Letters to Father Jacob)
Finnland 2009, R.: Klaus Härö. B.: Klaus Härö, nach einer Vorlage von J. M. Makkonen. D.: Kaarina Hazard (Leila), Heikki Nousiainen (Jacob), Jukka Keinonen (Briefträger)

Foto und Filmstills: (c) Kinotar / Finnish Film Foundation


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