Antonio Méndez, Foto: (c) Olaf Malzahn

Premiere der Elbphilharmoniker in der sanierten MuK mit der Geigerin Vilde Frang

Ilona Jarabek, Hausherrin der MuK, brauchte bei ihrer Begrüßung zum ersten Auftritt der Elbphilharmoniker ihren Stolz nicht zu verbergen, dass Lübecks Musikhalle an der Trave nun nach 19 Monaten wieder bespielbar geworden war, termingerecht und im Rahmen des berechneten Kostenrahmens.

Das durfte sie mit einem kleinen Seitenblick auf die neben ihr sitzenden Musiker anmerken, die mit der eigenen Spielstätte an der Elbe andere Erfahrungen machen mussten. Auch ihm, dem Orchester, das sich dem Provisorium Rotunde nicht verweigert hatte, dankte sie und dem Publikum, das durchgehalten hatte.

Mit dem Auftritt des „NDR Elbphilharmonie Orchesters“, wie es offiziell heißt, hatte der Saal nur ein knappe Woche nach dem Festkonzert der Lübecker Philharmoniker eine weitere sinfonische Premiere. Immerhin haben die Hamburger in Lübeck ihren zweithäufigsten Auftrittsort und werden nach der laufenden Saison mit nur sechs Konzerten in der folgenden wieder die gewohnten acht spielen. Da Programmhefte diesmal seltsamerweise fehlten, musste der Besucher wissen, dass der erste Beitrag Michail Glinkas (1804-1857) Ouvertüre zu seiner Oper „Ruslan und Ludmilla“ war. In diesem impulsiven Vorspiel mit seinem sieghaften Gestus hatte Glinka alle Instrumentengruppen effektvoll bedient. Gewohnt, sich auf vieles einzustellen, mussten die Musiker sich allerdings nicht nur an die andere Akustik anpassen, auch an den jungen spanischen Dirigenten Antonio Méndez (*1984), mit dem sie erstmals zusammenarbeiteten. Gleich zu Beginn ließ er die Tuttischläge und die wirbelnden Streicherpassagen vehement auftrumpfen, formte dagegen die gesanglichen Partien weich und sensibel. Der Klangeindruck der Wiedergabe überzeugte auch bei diesem rasanten Tempo und im Tutti, ohne dass irgendwo ein Klangbrei entstand. Kleinste Klangfarbenschattierungen blieben hörbar, einzig die Schärfe der Trompeten stach manches Mal hervor und wäre im Forte zu mildern.

Vilde Frang, Foto: (c) Olaf MalzahnVilde Frang, Foto: (c) Olaf Malzahn

Mit dem zweiten Werk in diesem rein osteuropäischen Programm hatte man eines der persönlichsten Werke Béla Bartóks gewählt, sein Erstes Violinkonzert, mit 26 Jahren komponiert. Das zweisätzige Werk beginnt kammermusikalisch filigran und sehr lyrisch, ist Bekenntnis seiner Liebe zu der Geigerin Stefi Geyer. Ihr eignete er auch die Partitur zu, verwandte allerdings den Kopfsatz noch anderweitig. Der lebhafte zweite Satz zeichnet ein mehr äußeres Bild ihres vielseitigen Charakters und Talents, auch seines eigenen. Unter anderem verweist Folkloristisches auf beider ungarischer Herkunft. Etwas Besonderes ist zudem die Überlieferung dieser 1907 entstandenen Partitur. Die Geigerin, die einen anderen heiratete, verwahrte sie, ohne sie je in der Öffentlichkeit zu spielen. Erst nach ihrem Tode wurde sie 1956 gedruckt und zwei Jahre später uraufgeführt.

Die tiefsinnige Musik, auch mit einem langen Solopart zu Beginn ungewöhnlich gestaltet, hatte man der erst 30 Jahre alten Norwegerin Vilde Frang übergeben. Ihre Interpretation wurde ein überwältigendes Erlebnis. Der feine Ton, ihre innige und lebhafte Gestaltung, ihr Talent, im einfühlsamen Zwiegespräch auf die Solisten des Orchesters oder auch das Tutti einzugehen, dennoch ihren Part eigen und intensiv hervorzuheben, fesselte von Anbeginn. Großartig auch hier wieder, wie die Akustik das Miteinander unterstützte. Langer Beifall brachte leider keine Zugabe.

Nach der Pause war es dann Sergej Rachmaninows (1873-1943) Sinfonie e-Moll, seine zweite, wie Bartóks Komposition 1907 entstanden. Es ist ein ausgedehntes Werk mit spätromantischem Pathos, voller Wechsel der Atmosphäre, in einzelnen Partien mit deutlichen Anspielungen auf sein Vorbild Tschaikowsky. Mendez gelang es ausnehmend gut, Spannung zu halten, auch wenn im Orchester, wie schon beim Bartók, einige Einsätze klapperten. Dafür war die melodische Gestaltung von besonderer Güte. Langer Beifall dankte dem Dirigenten und dem Orchester.

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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