Foto: Thorsten Wulff

Wiederaufnahme der "Comedian Harmonists"
Vom Showhimmel ins diktierte Vergessen

Mit einer Zeitungsanzeige vom 27. Dezember 1927, die Harry Frommermann im Berliner Lokal-Anzeiger geschaltet hat, war der Anfang einer bahnbrechenden Karriere auf den Weg gebracht.

Frommermann, von seinem sehr musikalischen Vater mit musikalischen Genen reich gesegnet und großer Verehrer der Revelers, einer angesagten Gesangsgruppe mit exquisiter Ausstrahlung, meinte, so etwas müsse man auch ins Leben rufen und dann die Erfolgsleiter hochklimmen. Die Zeitungsanzeige wurde von Robert Biberti (Bass), Bariton Roman J. Cycowski, dem Tenor Ari Leschnikoff und Erwin Bootz wahrgenommen. Bootz nahm Erich A. Collin mit ins Boot, der für einen ausgeschiedenen Tenor in die Bresche sprang. Nach harter Probezeit stand das Gesangsquintett mit dem hervorragenden Pianisten Erwin Bootz. Auch in diesem Ensemble bleiben Neid und Unverständnis für den Kollegen nicht aus. Jedoch, alles, was leicht erscheint, ist in der Regel die Frucht harter Arbeit. Das ist bei den Comedian Harmonists nicht anders. Und als Erik Charell sie im Sommer 1928 unter Vertrag nimmt, treten sie im Herbst 1928 erstmalig auf. Das Publikum ist hingerissen, Rundfunk und Schallplatte lassen sich die Vokalisten nicht entgehen. Sie sind oben angelangt!

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Das Ende ist vorprogrammiert – mit der Machtergreifung der Nazis 1933. Nichtarier werden nicht mehr in die Reichsmusikkammer aufgenommen oder erhalten Berufsverbot. Drei der Sänger sind jüdisch. Eine Neuauflage als Comedy Harmonists ist zwar erfolgreich, reicht dennoch an das frühere Klangbild nicht heran.

Schauspieldirektor Pit Holzwarth befasste sich bereits vor ca. 20 Jahren mit dem Thema Comedian Harmonists. Jetzt hat er es praktisch neu konzipiert, unter Verwendung einiger Szenen von Renato Grüning, der 2010 verstarb. Das Gefühl, Holzwarth hat dem Stück alles mitgegeben, praktisch einen Teil von sich ins Libretto fließen lassen, tut sich auf. Einmaliges ist zustande gekommen – nicht nur das einheitliche Bühnenbild (Werner Brenner), das in Metallbögen Raum lässt, um mal Flitter rieseln zu lassen, mal die Fahne des 3. Reiches hochzuziehen.

Die fünf Akteure könnten sofort gebucht werden, sie sind Sänger und Schauspieler zugleich. Andreas Hutzel als Cycowski, Johann Moritz von Cube als Ari, der unnachahmliche Henning Sembritzki als Robert Biberti. Johannes Merz als Frommermann, der alles auf den Weg brachte. Total souverän Will Workman am Klavier.

Herausragend Robert Brandt in den unterschiedlichsten Rollen. Einmal verständnisvoller Garderobier, dann der personifizierte Teufel Joseph Goebbels. Dirk Witthuhn studierte die Songs ein, die das Publikum zum Mitklatschen animierte. "Wenn die Sonja russisch tanzt", hat den Vogel abgeschossen. "Sonja, Sonja", so die Rufe aus dem Publikum nach einer Zugabe. Man muss es erlebt haben!

Termine: In der Bar "Zum Krokodil" Die Comedian Harmonists


Fotos: Thorsten Wulff

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

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