A. Hutzel (König Artus), M. Hermann (Bedevere), H. Sembritzki (Lancelot), W. Workman (Patsy), J. Weichenthal (Galahad), J. D. Talinski (Robin)

Die Schwierigkeit des Leichten
„Monty Python’s Spamalot“ im Theater Lübeck

Historienschinken müssen nicht teuer sein. Das wussten schon die, die König Artus‘ Abenteuer 1975 verfilmten und Ritter zu Fuß durch die Geschichte und halb um die Welt stapfen ließen. Und so trabte oder galoppierte der Knappe wie der Edle des Budgets wegen auf eigenen zwei Beinen, damals über die Leinwand und jetzt in Lübeck über die Bretter, die die Welt bedeuten.

Immerhin muss man nicht auf das Getrappel verzichten. Das erzeugt Knappe Patsy mittels zweier Kokosnussschalen, akustisch vielseitig und feinsinnig verwandt, auch wenn sie in Ritters Zeiten erst zu entdecken waren. Erleichtert wird deshalb der Kassenwart dort im Theater dies Stück, weil kostengünstig, genehmigt haben. Endlich hatte man zudem mal wieder eine Filmadaptation, die schon als Musical existierte, ohne auch groß in die Requisite und Bühne investieren zu müssen. Keine Pferde auf der Bühne bedeutet allerdings, dass das, was von ihnen „apfelt“, nicht an Kleingärtner zu verkaufen ist. Aber in den Kammerspielen wurde genug kostbarer Mist erzeugt, sodass die Auslagen wieder hereinkommen müssten. Für Bewässerung ist auch gesorgt, liest man doch in einer Stückkritik: „… es fließen fröhliche Tränen, manchmal auch andere Flüssigkeiten.“

Johann David Talinski (Sir Robin), Andreas Hutzel (König Artus), Will Workman (Patsy)Johann David Talinski (Sir Robin), Andreas Hutzel (König Artus), Will Workman (Patsy)

Es ist wohl zu bemerken, dass hier von „Monty Python’s Spamalot“ die Rede ist, dem Musical, „liebevoll zusammengeklaubt aus dem Kult-Film ‚Die Ritter der Kokosnuss‘ von Eric Idle und John Du Prez“, wie im erweiterten Titel verraten wird (Premiere bereits am 6. Mai 2017). Bekannt ist auch, dass dafür jene sagenhafte englische Comictruppe Pate stand und es um noch Sagenhafteres ging, nämlich um die Jagd nach dem Heiligen Gral. Auch Lübecks Inszenierung ließ den Zuschauer sich redlich damit abmühen, Sinniges zu entdecken, Zusammenhänge zu sehen. Der Nonsens, der als englischer Humor bezeichnet wird, versucht mit gewitzten und verdrehten Wörtern vielerlei zu deuten und zwischendurch den Brexit zu erhellen, am sinnlichsten in der Szene, in der dem Schwarzen Ritter die Gliedmaßen abhanden und abbeinen kommen. Auch wenn extra ein gewisser Historiker erfunden wurde, als Gott, als Fahrender Sänger oder gar gut gerüstet als Prinz Herberts Vater zum Be- und Eingreifen aufzutreten, war das Irrspiel kaum zu entwirren. Der Zuschauer durfte lachen und die Helden auf der Bühne mussten sich sehr zusammennehmen, nicht Gleiches zu tun. Dass all das ansteckend gut über die Rampe kam, merkt der geneigte Leser daran, dass es zum Blödeln anregt. Allerdings weiß man auch, dass nichts schwerer ist, als Ulk zu produzieren. Und das gelang Malte C. Lachmann (nomen est omen) mit diesem „neuen Musical“ herzerfrischend.

Doch wäre der Inszenator aufgeschmissen, wäre am Theater Lübeck nicht eine Truppe vorhanden, die sich dem Ulk lust-, sogar kunstvoll hingibt. Hat man das Stück gesehen, weiß man, dass der König, der sich Artus nannte, seine Gefolgschaft aus Sozialisten und Schönlingen auflas, um mit ihnen seiner inneren Berufung zu folgen. In einem anderen Leben heißt er Andreas Hutzel. Mit Bravour besiegt und besingt er alles und jeden, reitet Hohe Schule, ficht und tanzt durch die halbe Welt und im Moulin Rouge und Las Vegas durch die Halbwelt, rappt und duettiert mit der Fee aus dem See, die ihm dafür das übernatürliche Spielzeug Excalibur verehrt. Es wäre nicht auszudenken, wenn das ebenso kraftvoll und scharf wäre wie die Stimme, die Sybille Lambrich ihr leiht. Eine grandiose Diva ist sie, selbst wenn sie lamentiert „Wann geht’s hier wieder mal um mich?“. Nicht auszudenken auch, wenn der Historiker nicht die Fäden in der Hand hätte, allem einen Sinn zu geben. Robert Brandt nimmt man sein Gespinst ab, das abwechslungsreich ist wie die eben mal eingestreuten Jahreszeiten und gerade so löchrig wie die Strümpfe des kessen Tanzquartetts (Choreographie: Daniel Morales Pérez). Sie, die Damen, becircen als Finninnen, Seejungfrauen, Gralsmädchen, Cheerleader, Cancan-Girls oder Backgroundsängerinnen die kettenhemdige Männerwelt (Kostüme: Tanja Liebermann).

Andreas Hutzel (König Artus), Sybille Lambrich (Guinevere), EnsembleAndreas Hutzel (König Artus), Sybille Lambrich (Guinevere), Ensemble

Die nun besteht einmal aus der pointensicheren Gefolgschaft von King Artus. Henning Sembritzki ist dabei ein gewitzter Sir Lancelot und zugleich Beweis, dass man subtilen Humor nicht erst aus England nach Schleswig-Holstein importieren muss. Aus Lübecks Hinterland Büttenwarder könnte er stammen und, ohne umgeschminkt zu werden, die Rolle als Knecht Kuno alias Killerkralle übernehmen. Grandios zudem sein Auftritt als Spötter, bei dem er mit zwei Wächtern von französischen Zinnen herab und mächtig „hintern“-listigen Winden erfolgreich den Anspruch der Engländer abwehrt, sich zu unterwerfen. Weitere Gefolgsleute sind Johann David Talinski als kindlicher Sir Robin und Jochen Weichenthal als Finne und sozialistischer Agitator, der zu Sir Galahad mutiert und auch zu Mönch und Leiche und Ni-Ritter, sowie Matthias Hermann als Sir Bedevere und Prinz Herbert, der auch als Finne und Mönch, als Leiche und weiterer Ni-Ritter auftritt und, gar lieblich, als Mutter von Dennis, eine weitere Inkarnation von Jochen Weichenthal. Verwirrend? Klar, bei der Rollenvielheit und dem geringen Personal.

Mit wunderbarer, artistischer Spielfreude weigert sich Will Workmann als Fred, tot zu sein, oder er wird als Packpferd Patsy missbraucht. Das arme, Mitleid erregende Faktotum dieses Männerbundes ist er. Doch singen kann er, wobei, nicht nur ihn, Willy Daum & The Bright Side ohrwürmig unterstützt, vor allem bei der Optimistenhymne „Always look on the Bright Side of Life“.

Wow! Wer glaubt, dass eine Weltreise nicht in den Kammerspielen stattfinden kann, musste umdenken. Nach dem volkstümlichen Vorspiel in Finnland mit dem Fischwatschenlied verlagerte sich das Geschehen schnell auf die Insel, die schon wieder nicht europäisch sein möchte. Wer rechts saß, konnte beobachten, wie sich rasend schnell in die vielen Charaktere verwandelt wurde, wer links saß, wie die Mitspieler die Schnüre zogen, an denen die Kulissen hingen. Für die wirkungsvolle, doch fast straßentheatralisch knappe Bühne hatte Ramona Rauchbach gesorgt.

Die nahezu zweieinhalb Stunden haben mächtig Spaß gemacht!

Die nächsten Termine: Fr 26. Mai, Fr 9. Juni, Do 15. Juni 2017 jeweils 20.00 Uhr


Fotos: Falk von Traubenberg

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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