Foto: Lübecker Sommeroperette

Lübecker Sommeroperette
Nostalgie im Johanneum - „Polenblut“ von Oskar Nedbal als musikalische Rarität

Wer denn meint, von der Operette Polenblut bisher nichts gehört zu haben, irrt. Die Besucher dieses Stückes horchen bei einigen Melodien auf, um festzustellen, dass sie ihnen absolut vertraut sind. Die schmissige Aussage: So lang's noch solche Frauen gibt und Mädel, Dich hat mir die Glücksfee gebracht, verführen zum Mitsingen und sind geläufig.

Die Handlung des Stückes (Libretto Leo Stein) setzt in den Fokus das Leben des verschwenderischen, polnischen Gutsherrn Bolèslaw Baranski, genannt Bolo. Seine brenzlige finanzielle Situation hindert ihn nicht, jedem Rock hinterherzujagen und sich mit seinen Freunden zu vergnügen. Dann jedoch taucht der vermögende Gutsherr Jan Zarèmba samt Tochter Helèna auf. Zarèmba behauptet, Bolo übers Taufbecken gehalten zu haben – das verbindet. Fakt ist, dass er seine Tochter gerne mit Graf Bolo vermählen möchte. Aber wie soll man das dem Lebemann Bolo schmackhaft machen? Helèna beschließt, sich als Wirtschafterin auszugeben. In der Hoffnung, Bolo einsichtig und verliebt zu machen. (Hier stand das Stück von Puschkin Das Adelsfräulein als Bäuerin Pate.) 

Jetzt setzt die Operettenherrlichkeit ein und Bolo, der der Tänzerin Wanda der Warschauer Oper ergeben ist, muss so weit gebracht werden, dass er auf Helèna umschwenkt. Zuvor war Wanda Bronio von Popiel zugetan. Er trauert nun um Wanda und lässt keine Situation aus, seinen Revolver zu ziehen, in der Absicht, sich zu erschießen. Zum Glück kommt es nicht so weit, denn heute Abend erleben wir Operette.

Michael P. Schulz hat sich bei seiner diesjährigen Operettenproduktion mächtig ins Zeug gelegt. Annähernd fünfzig Personen geben ihr Bestes, um dem Publikum Freude zu bereiten. Ein Glücksfall der Inszenierung ist Thomas Herberich, der in Mannheim mit der Musikbühne verwurzelt ist. Sein Bass ist raumfüllend und sitzt wunderbar. Ähnliches Glück ist mit dem Tenor Pawel Wytrazek als Bronio von Popiel zu verzeichnen. Sein tragender Tenor und gutes Aussehen imponieren. Nur seine Mimik sollte er etwas reduzieren. Sonja Pitsker in der Rolle der Helèna erfreut mit stimmlicher und darstellerischer Präsenz. Keine Misstöne, eine erfreuliche Erscheinung. Auch Jana Thomas als Tänzerin Wanda ist als Gewinn anzusehen. Mona Hermes in der Mutterrolle der Wanda ist nie enttäuschend. Felix Müller verkörpert den Schwerenöter Bolo. Er agiert schauspielerisch stets überzeugend.

Ebenfalls sind Michael P. Schulz und Kay Bretschneider als Freunde des Bolo zu erleben. Die exzellente Tänzerin Britta Hadeler spielt die Rolle der Komtesse Napolska. Sie nutzt ihre kleine Sprechrolle, so dass man sich vorstellen kann, dass sie ihren Radius erweitert und auch im Schauspiel eingesetzt werden könnte. Das Ballett unter der Choreographie von Sarah Schneider gibt Anlass zu Szenenapplaus. Auch die Kindertanzgruppe aus Bad Schwartau heimst Beifall ein. Ein besonderes Lob gilt dem Chor, der in diesem Stück gut zum Einsatz kommt und sich sehr erfreulich darstellt. Joachim Kuipers hat sein 7-köpfiges Salon-Orchester voll im überzeugenden Einsatz. Auch am Klavier hat Kuipers stets einen Blick für sein Orchester. 

Der Regisseur und Intendant der Lübecker Sommeroperette, Michael P. Schulz, hat es sich auf die Fahne geschrieben, Stücke, die lange – zu lange – in der Schublade schmorten, erneut zu beleben. Mit der Aufführung von Polenblut (in Lübeck zuletzt 1967 aufgeführt) ist es ihm gelungen, Aufmerksamkeit auf eventuell Vergessenes zu lenken.

Weitere Termine:
24. August und 26. August jeweils 19.30 Uhr, 28. August 15 Uhr
Aula Johanneum

Helga Rottmann
Helga Rottmann
Immer wieder musste der Großvater dem Kind "Kennst Du das Land, wo die Zitronen blüh'n" aus "Mignon" vorsingen. Das zielte auf ein Gesangsstudium. Dennoch der Wechsel zur schreibenden Zunft. 15 Jahre Kultur-Redakteurin bei einem Lübecker Blatt. Schreibt seit 2012 für "unser Lübeck". Schwerpunktthemen: Oper, Operette, Musical, SHMF.

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