„Umgestaltung Untertrave“ zwischen Holstentorbrücke und Hubbrücke

Die Sprecher der BIRL (Bürgerinitiative Rettet Lübeck e.V.) sind der Ansicht, dass die Planung in der Zielvorstellung mittlerweile mehr als veraltet und geeignet ist, die letzten Lübeck-Spezifika verschwinden zu lassen. Die Vision einer mit Platten aus chinesischem Granit hergestellten „Flaniermeile“ am einstigen Hafen stellt keinen Beitrag zur Verbesserung des Lübecker Stadtbilds dar.

Wir sind außerdem der Meinung, dass es keinen zwingenden Grund gibt, die in den frühen Nachkriegsjahren zwischen Holstentor- und Drehbrücke angepflanzten Linden wegzunehmen. Ebensowenig halten wir es für sinnvoll, anstelle abgeholzter Linden erneut Bäume zu pflanzen, nach unerfindlichem Ratschluss ausgerechnet japanische „Schnurbäume“, eine für den Ort und die Region untypische Spezies.

Wir regen an, die vorhandene „baumfreie“ Situation zwischen Drehbrücke und Hubbrücke einer Überprüfung der Planung zugrunde zu legen mit der Maßgabe, zumindest in diesem Abschnitt so wenig wie möglich zu ändern. Man möge sich der Tatsache bewusst werden, dass „Hafen“ und „Flaniermeilen-Begrünung“ Tatbestände sind, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen.

Erläuterungen/Begründungen:

Im Einzelfall kann es durchaus auch vernünftig sein, Baupolitik nach Maßgaben möglicher Fördergelder zu betreiben, aus ihnen Planungsziele abzuleiten und dementsprechend Wettbewerbe durchzuführen. Der auf ein solches Förderprogramm ausgerichtete Wettbewerb von 2005/07 hat für den 1. Bauabschnitt (Dankwartsbrücke – Holstenbrücke) aus heutiger Sicht nur eine wirkliche Verbesserung erbracht: Die neue Fußgängerbrücke, die der Parkraumbewirtschaftung (Holstentor-Parkhaus) und der Musikhochschule zugutekommt. Mittlerweile verbindet sie auch den neuen westlichen Trave-Uferweg mit der Stadtseite. Als problematisch erweisen sich die viel zu dicht gesetzten und sich zu Großbäumen entwickelnden Erlen zwischen Dankwarts- und Marlesgrube sowie die mangelhafte Qualität der Möblierung, insbesondere der Bänke, die „dank“ unterlassener Pflege bereits zu Schadensfällen geworden sind. Die mit feinkörnigem grauen Granit aus fernen Ländern eingekaufte Langeweile ist kein Gewinn, sondern hat nur ortstypische Materialien zugunsten gängiger Planer-Trends verdrängt.

Daraus lernen?

Eine Fortsetzung des Bauabschnitts Obertrave durch einen ihm in der formalen Konsequenz ähnelnden Bauabschnitt Untertrave sollte nach über 10 Jahren des Weiterdenkens und neuen Schwerpunktsetzungen eigentlich nicht mehr ernsthaft in Frage kommen. Der einstige Welthafen des Nordens, der Handels-Drehpunkt der Hanse, also der lange, früher von Arbeit und Betriebsamkeit geprägte Kai zwischen Holstenstraße und (heutiger) Hubbrücke ist kein Areal, das man mit parkartiger Baum-Bepflanzung „verschönern“ kann. Es wird dadurch zu einer Idylle verfälscht. Deshalb ist das baumfreie Areal zwischen Dreh- und Hubbrücke ein Stück typisches Lübeck, das unbedingt zu erhalten ist und Maßstab für den Umgang mit dem restlichen Hafenrand zwischen Holsten- und Drehbrücke sein sollte.

Die BIRL-Sprecher möchten indes die zugesagte finanzielle Förderung mit Bundes- bzw. Landesmitteln durch überzogen erscheinende, wenn auch begründete Forderungen nicht gefährden. Dennoch kann das Vorhaben etwas abspecken:

Vorschläge

Die in der Nachkriegszeit gepflanzten Linden zwischen Holsten- und Drehbrücke sind für viele Lübecker ein Stück „Heimat“, das man ihnen nicht ohne Not nehmen sollte. Das bedeutet: Erhalt der Linden, Abbruch der niedrigen Ziegelmauer und Erweiterung der Promenade in den Straßenraum Untertrave hinein. Das Flächige, Ausgebreitete des einstigen Hafenrands (auf dem einst Schuppen standen) sollte durch möglichst wenig „Möblierung“ gestört werden. Verzicht auf modische, dem Hafenrand nicht zustehende Designer-Gebärden. Für die Oberflächen bietet sich die alte Lübecker Gehweg-Diagonalpflasterung aus quadratischen Platten an, hergestellt aus Beton mit groben Naturstein-Zuschlägen, Oberfläche geschliffen. Das in Resten noch vorhandene Pflaster kann aufgenommen, neu verlegt und um neues Material ergänzt werden. Es erscheint uns aber auch wichtig, dass die Dimension „Hafen“ durch Hinweise seitens der Archäologen bzw. der Historiker in Erinnerung gerufen wird, allerdings nicht als eine „im Weg stehende Möblierung“ wie Schaukästen und Schrifttafeln.

Historisch und Lübeck-typisch ist auch der Einsatz von Asphalt. Die Hausvorfelder der Straße An der Untertrave sind seit dem 19. Jahrhundert asphaltiert. Fachmännisch gegossener/abgestrichener Asphalt lässt sich leicht reparieren. Auf gleichförmigen Granit sollte weitgehend verzichtet werden. Partiell lässt Granit sich als Begleitung der granitenen Kaimauerkrone einsetzen. Ansonsten sollte man die Verlegung von Granitplatten getrost dem Umfeld Hansemuseum überlassen. Nicht ohne Absicht haben die Planer dem Europäischen Hansemuseum diese Halskrause aus „werthaftem“ Naturstein als „Auszeichnungsmerkmal“ zugeordnet. Dabei sollte man es belassen. 


Kommentare  

# Nur die Brücke ist gut?Jörn Simonsen (26.07.2016, 10:02)
Dass nur die neue Brücke gut an der Obertravenplanung ist, scheint mir doch eine arge Untertreibung.
Vielen Lübeckern scheint der Ort sehr zu gefallen. Wo sonst wird in Lübeck im öffentlichen Raum Salsa getanzt?
Wer abends die Obertrave besucht und dann zur Untertrave geht, stellt fest, dass die Untertrave kaum genutzt wird. Eng, dunkel, nicht barrierefrei... Wie wäre es ganz ohne Bäume? Das wäre dann richtiges Hafenflair, oder?
# Bäume gegen "Schönheit"?Ingrid Boitin (26.07.2016, 14:33)
Allein die Klimaerwärmung macht es notwendig, lebende Bäume, die CO2 umwandeln, zu erhalten. Was nützt es uns, wenn wir tanzen können ohne genug Luft zu bekommen?
Insofern kann Flair auch gut Bäume integrieren - oder umgekehrt.
# ökologisches AttentatWolfgang & Ines Diehl (27.07.2016, 17:46)
Wir teilen den Standpunkt der BIRL und empfinden das Fällen der Jahrzehnte alten Linden gegen den Willen Tausender Bürger als ökologisches Attentat "veranstaltet" durch die Lübecker Bauverwaltung. Diese Stadt hat fast einundeinhalb Milliarden Euro Schulden und circa 90 Brückenbauwerke, die meist einer dringenden Renovierung bedürfen. Das sind ihre dringlichsten Probleme und nicht einer Zuschuss-Dusche hinterherjagen, die aber auch die Schuldenlast um einige Millionen spürbar vergrößert.
# LesenPeter Thomsen (02.08.2016, 12:57)
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil - beispielsweise das Gutachten zu den Bäumen an Untertrave. Dort geht hervor, dass diese Linden krank und marode sind und die nächsten Jahre kaum überleben werden. Deshalb ist es Pflicht des Bauamtes, für Ersatz zu sorgen! Dass darf ich als Bürger fordern. Und wie man hört geht es den Initiatoren, die aus einer eindeutigen politischen Ecke kommen sollen, nur um lokalpolitische Stagnation.
# Kranke Bäume?Ingrid Boitin (03.08.2016, 11:26)
Komischerweise wurde das Gutachten erst erstellt, als der Gestaltungsplan schon fest stand........
Die Bäume sind gesund und leben! Sie haben einen kleinen Wuchs, da sie sich an den Standort angepasst haben. Das kann man gut sehen, wenn man sich Bonsais anschaut. Die Linden können erhalten bleiben, und der Umbau kann trotzdem wie ursprünglich geplant, stattfinden.
# RE: Kranke Bäume?Peter Thomsen (05.08.2016, 10:55)
zitiere Ingrid Boitin:
Komischerweise wurde das Gutachten erst erstellt, als der Gestaltungsplan schon fest stand........
Die Bäume sind gesund und leben!


Auch wenn es nicht in Ihr Weltbild passt - die Bäume sind krank und verfügen höchstens eine sehr überschaubare Lebensdauer. Lesen Sie das Gutachten - das bereits vor Fertigstellung des Gestaltungsplans in Auftrag gegeben wurde. Und lesen Sie das Gutachten komplett und nicht in "zensierter" Form, wie es die Inititative auf ihrer Seite anbietet.
# Stadtentwicklung der SteinzeitChristian Heidemann (02.08.2016, 22:08)
Die Linden zu lassen, bedeutet eine Entscheidung gegen den Umbau. Das ist Stadtentwicklung der Steinzeit. Die Menschen drängt es zurück in die Stadt, dort brauchen wir innerstädtische Naherholungsräume. Die Lebensweise der Menschen wird sich ändern: kurze Wege, Verkehrsmittel-Sharing, usw.
Die Untertrave ist ein echt unfreundliche Straße, die aufgeweckt werden will. Jetzt bietet sich die historische Chance. Pflanzt 60 grosse, einheimische Bäume mit genügend Abstand!
Warum meldet sich die BIRL erst 2 Monate vor Baubeginn zu Wort?

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