Stadtgrün 2025
100 Klimawandelbäume - abgasresistent

Im Rahmen des Europäischen Innovationsprojektes wurden in der Hansestadt in diesem Frühjahr insgesamt 100 sogenannte Klimawandelbäume gepflanzt. Bausenator Franz-Peter Boden startete das Projekt jüngst mit einem Perlschnurbaum, den er auf dem Mittelstreifen des St. Jürgen-Rings anpflanzte.

Klimawandel erfordert neue Baumsortimente

Ziel des auf drei Jahre angelegten Zukunftsprojektes ist es, im Rahmen von langfristigen Versuchen an städtischen Echtstandorten klimawandeltolerante, zukunftsfähige Baumsortimente für norddeutsche Innenstädte zu identifizieren. Die Notwendigkeit hierfür ist durchaus gegeben. Der Klimawandel mit seinen Witterungsextremen sowie neue Krankheitserreger bedeuten für viele Stadtbäume erhebliche Belastungen. Schon jetzt lassen sich bei den wichtigsten Stadtbaumarten – hierzu zählen Sommer- und Winterlinden, Platanen, Rosskastanien, Gemeine Eschen, Berg- und Spitzahorn – signifikant krankheitsbedingte Ausfälle beobachten. Der Rosskastanie macht die Miniermotte zu schaffen, Platanen leiden an der Massaria-Krankheit, der Ahorn am Verticillium-Sterben, die Esche am Eschen-Triebsterben und die Linden am Stigmina-Triebsterben. Für all jene Baumarten werden von Experten extrem schlechte Zukunftsprognosen abgegeben. Da diese Bäume aber 75% des Hauptbaumsortiments in deutschen Städten ausmachen, wird der Handlungsbedarf deutlich.

Um klimatolerante Baumarten zu erproben, werden bundesweit seit einiger Zeit an vier gartenbaulichen Versuchsstandorten Prüfverfahren durchgeführt. Schleswig-Holstein ist mit dem Gartenbauzentrum der Landwirtschaftskammer in Ellerhoop beteiligt. In die Prüfverfahren aufgenommen wurden solche Baumarten und -sorten, bei denen eine gewisse Klimatoleranz zu erwarten ist. Sie stammen aus Südosteuropa, Asien und Nordamerika und damit aus jenen Klimaregionen, in denen schon jetzt jene klimatischen Verhältnisse vorherrschen, die für unsere Region bei fortschreitendem Klimawandel prognostiziert werden.

Stressfaktoren müssen berücksichtigt werden

Solange die Prüfverfahren ausschließlich in den jeweiligen Versuchseinrichtungen durchgeführt werden, haben die Ergebnisse der Untersuchungen nur eine bedingte Aussagekraft, da sich die Bäume dort unter nahezu optimalen Wachstumsbedingungen entwickeln können. Die für das urbane Umfeld üblichen Stressfaktoren wie beengte Baugruben, Bodenverdichtungen, Versiegelungen, eine einhergehende unzureichende Wasser- und Nährstoffversorgung, dazu Streusalz, extreme Temperaturen durch fehlenden oder reduzierten Luftaustausch sowie Wärmeabstrahlung von Gebäuden auch in der Nacht fehlen völlig. Im Bereich der Westküste müssen mit der salzhaltigen Luft (Gischt) und einem fast permanenten Wind, der die Verdunstung aus dem Boden und die Transpiration über die Blätter erheblich steigert, weitere lokale Stressfaktoren berücksichtigt werden.

Identifikation unter realen Bedingungen

Die Stadtbäume der Zukunft müssen mit all jenen Stressfaktoren zurechtkommen. Die Klimatauglichkeit und Klimatoleranz muss insoweit unter realen Bedingungen an städtischen Realstandorten überprüft werden. Aus diesem Grund wurde ein EU gefördertes EIP-Projekt (Europäische Innovationspartnerschaft) initiiert, das diese Bedingungen berücksichtigt. Als Kooperationspartner wurden die Städte Heide, Husum, Kiel und Lübeck gewonnen. Sie gaben die Zustimmung zur Aufpflanzung des Prüfsortiments und unterstützen das Projekt durch ihre aktive Mitarbeit praktisch und finanziell. Die Kosten für die Baumlieferung, die Kosten für eventuell notwendige Ersatzbeschaffungen im Falle des Ausfalls einzelner Arten sowie die laufende Beurteilung der Bäume übernimmt die Landwirtschaftskammer. Der Bereich Stadtgrün und Verkehr der Hansestadt trägt die Pflanz- und Pflegekosten.

Das EIP-Projekt dient als Anschub und notwendige Basis für ein Vorhaben, das aufgrund der Langlebigkeit von Gehölzen und des schleichenden Wandels des Klimas bis zu einer abschließenden Beurteilung der Ergebnisse über insgesamt mindestens 10 Jahre laufen soll.

Das Prüfsortiment umfasst 20 Baumarten und -sorten, von denen jeweils 5 Exemplare in jeweils drei Städten gepflanzt und beobachtet werden. Dabei werden Wachstumsparameter der Bäume und phänologische (im Jahresablauf periodisch wiederkehrende Entwicklungserscheinungen in der Natur) Kenngrößen erfasst, die mit den jeweiligen Klima- bzw. Wetterdaten an den Standorten in Beziehung gesetzt werden.

Umsetzung

Als Standorte wurden ausgewählt der St. Jürgen-Ring (dort die Mittelinsel), die Geniner Straße, der Ostpreußenring (dort die Bus-Kehre), die Straßen Am Klosterhof und Beim Retteich, die Hermann-Lange Straße, der Hansering sowie die Fabrikstraße.

Am St. Jürgen-Ring wurden jeweils 5 Ungarische Eichen, Zerr-Eichen, Orientalische Platanen, Perlschnurbäume, Zürgelbäume sowie Silber-Linden gepflanzt. In der Geniner Straße wurden jeweils 5 Nordamerikanische Roteschen und Lederhülsenbäume gepflanzt. 5 Purpur-Erlen werden den Ostpreußenring begrünen, 5 Ulmen die Straße Am Klosterhof sowie 5 Hainbuchen die Straße Beim Retteich. 5 Exemplare des Fächerblattbaumes finden in der Hermann-Lange-Straße einen neuen Standort und 5 Kobushi-Magnolien am Hansering. In der Fabrikstraße schließlich werden jeweils 5 Exemplare des Dreizahn-Ahorns, des Französischen Ahorns, des Amberbaums, der Blumenesche, des Eisenholzbaumes, der Hopfenbuche und der Zelkove aufgestellt.

Das Projekt will repräsentative Ergebnisse für Norddeutschland erarbeiten und belastbare Ergebnisse für ganz Deutschland und das angrenzende Ausland bereitstellen.

Die Verantwortlichen versprechen sich von den Maßnahmen neben spürbaren Klimaeffekten im straßenbegleitenden Raum wie Temperaturabsenkungen, Regenwasserzurückhaltung, Feinstaubbindung und Lärmschutz auch die gestalterische Aufwertung der Straßen. Im Bereich des St. Jürgen-Rings werden die gepflasterte Mittelinsel entsiegelt und Wildblumen gepflanzt. Im Rahmen der Maßnahmen werden dort auch Beleuchtungsmasten und -kabel ausgetauscht. 

Titelfoto: Perlschnurbäume stammen aus China und Korea und zeichnen sich durch eine hohe Hitzebeständigkeit und Trockenstresstoleranz aus. Diese Sorte („Regent“) des Perlschnurbaumes hat eine relativ schmale Krone. Die späte Blüte im Juli kommt den Bienen zugute. (Foto: TML)

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