Foto: Thorsten Wulff

„Unser“ Gestaltungsbeirat – vorausschauend oder blind?

Im September 2014 präsentierte das Museum Buddenbrookhaus der Öffentlichkeit eine Machbarkeitsstudie für drei Neubauvarianten zum Komplex Mengstraße 4/Mengstraße 6. Kernstück der drei Varianten: Das Gebäude hinter der Fassade von Mengstraße 6 wird ersetzt. Eine neue Durchfahrt, bescheidener und dezenter als die vorhandene, wandert auf die Nachbarschaftsseite zur Mengstraße 8, der Wehde. (Das ist kein Parkhaus, sondern ein Wohnsitz von Pastoren der Marienkirche.)

Wenige Wochen später äußerte sich der Gestaltungsbeirat, aufgefordert von der Bauverwaltung (die zu diesem Zeitpunkt mit dem Parkhausinvestor verhandelte). Die Gutachter verwarfen die drei Neubauvarianten und präsentierten einen eigenen Vorschlag, Kernstück: Das Haus Mengstraße 6 bleibt so, wie es ist, also mit Fassade und Durchfahrt.

Im Januar 2016 hat nun der Abriss des Parkhauses im sogenannten Wehdehofquartier begonnen. Das kommende Parkhaus weicht in wesentlichen Elementen von dem Vorschlag ab, den der Gestaltungsbeirat 2013 nach mehrjährigen harten Verhandlungen akzeptiert hatte: Es werden nun 800 statt 430 Parkhausplätze, es gibt kein Dachcafé und auch keine gläsernen Außenwände. – Der Gestaltungsbeirat schweigt. Warum? Niemand habe ihn um eine Stellungnahme gebeten, heißt es. Und weiter: Es seien wirtschaftliche Notwendigkeiten, die zu einer Planänderung geführt hätten.

Eine Hauptforderung der städtischen Bauverwaltung an die städtische Museumsverwaltung lautet jetzt: Die Tordurchfahrt muss bleiben (für 20 Anwohnerparkrechte und für die Feuerwehr). Wie vorausschauend also die Stellungnahme des Gestaltungsbeirates im Herbst 2014. Es ist, als hätten die Damen und Herren Gutachter bereits damals geahnt, was der stadtplanerische Alleingang der Bauverwaltung dringend benötigt: eine Zu- und Abfahrt mitten durch das Literaturmuseum.

In einem Dienstagsvortrag der Gemeinnützigen am 2. Februar 2016 hat der Lübecker Hans Stimmann, Bausenator von 1986 bis 1991, die Wehdehofplanung der Stadtverwaltung in der Luft zerrissen. Ein Parkhaus in der kulturwirtschaftlich starken Stadtmitte abzureißen, das könne Herzen erleichtert höher schlagen lassen, ein neues zu bauen, signalisiere das Fehlen jeglicher Vernunft und Fantasie bezüglich dessen, was die Tourismuswirtschaft brauche. Die jetzige Planung nehme keinerlei Rücksicht auf ein Kernelement der Marke Lübeck.

Diejenigen City-Einzelhändler, die das Parkhaus als letzte Hoffnungstherapie gegen die schwindende Attraktivität ihrer Warenangebote dringend einforderten, wird die Kritik des ehemaligen Bausenators Stimmann nicht beunruhigen. Sie leiden, doch Trost ist ihnen sicher: Die Bürgerschaft steht geschlossen solidarisch hinter ihnen. Das Versprechen an alle Stadtbewohner lautet: Auch an Weihnachten 2016 kann wieder in fußläufiger Nachbarschaft zum Märchenwald geparkt werden.

Wer aber wird noch an die Mär glauben, Lübeck stehe mit dem Gestaltungsbeirat ein unabhängiges Gutachtergremium zur Seite, das nur und ausschließlich zum Wohle der Stadt sich äußert. Rein zufällig könnte Literaturliebhabern ein Vers aus Hans Magnus Enzensbergers Gedicht Blindlings ins Gedächtnis kommen:

Siegreich sein
wird die Sache der Sehenden
Die Einäugigen
haben sie in die Hand genommen
die Macht ergriffen
und den Blinden zum König gemacht.

Weitere interessante Artikel der Lübeckischen Blätter finden sie im Download-Archiv.

Foto: Thorsten Wulff


Kommentare  

# GestaltungsbeiratThomas Heick (02.03.2016, 21:36)
Ich erinnere mich dunkel, dass es ehedem einen Stadtbildpfleger gab.....
Vielleicht hat ja doch noch jemand ein Einsehen und die ausgesprochen hässliche Durchfahrt wird im Zuge der Neugestaltung des Buddenbrockhauses wenigstens etwas passender gestaltet!
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Am Parkhaus ist nun wohl nichts mehr zu ändern.

Ach ja..... Der erwähnte Märchenwald. Dieser hat weder mit Wald noch mit Märchen mehr etwas zu tun. Ungepflegt, lieblos und die Reste einfach irgendwie hingestellt lädt er sicherlich niemanden mehr zum Verweilen ein.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.