Markus Stockhausen und Berndt M. Petroschka, Foto: (c) Peng!

Berndt M. Petroschka & Markus Stockhausen & Holger Mantey
Konzert mit intuitiver Musik

Opium für das Volk – oder warum ist die Kirche auch nach Weihnachten abends so gut besucht?

Es mutete schon etwas seltsam an, dass die kleine Kirche St. Martin, abseits der großen Kathedralen der Innenstadt, so gut besucht war. Was konnte nur der Grund dafür sein?

Holger Mantey, Markus Stockhausen und Berndt M. Petroschka, Foto: (c) Peng!Holger Mantey, Markus Stockhausen und Berndt M. Petroschka, Foto: (c) Peng!

Drei Weltklassemusiker gaben sich ein Stelldichein und wurden vom Publikum frenetisch gefeiert. Der Tipp der Woche in „unser Lübeck“ war gut gewählt, denn die Musiker Berndt M. Petroschka, Markus Stockhausen & Holger Mantey mussten sich in der Gunst des Publikums gegen den Klarinettisten Giora Feidmann, der zeitgleich mit dem Rastelli Quartett ein Konzert im Lübecker Dom gab, durchsetzen. Und dafür dankte das großartige Publikum gedankt.

Der umtriebige M. Stockhausen, einer der weltbesten Trompeter, spielt in nahezu unzähligen Projekten, ebenso wie H. Mantey und B. M. Petroschka. Alle drei haben viel Erfahrung mit den Klängen Indiens und so lag es nahe, dass sie sich, ohne vorab geprobt zu haben, auf der Bühne der kleinen 10-eckigen Kirche mit einer für Konzerte hervorragenden Akustik trafen, um das Publikum in den Bann zu ziehen. Mantey, der auf dem Klavier einen kleinen Synthesizer versteckt hatte, begann mit dem Projekt. Teilweise schon fast in die Klaviatur tauchend entlockte er dem Instrument zarte Klänge, welche immer stärker anschwollen.

Holger Mantey, Foto: (c) Peng!Holger Mantey, Foto: (c) Peng!Doch was waren das für Töne? Ein seltsames Geknarze wurde hörbar – der Pianohocker benötigt unbedingt einige Öltropfen, oder aber einige Schrauben müssten mal nachgezogen werden. Für Mantey kein Problem, er saß dann einfach ganz still oder er nutzte die zusätzlichen Klänge bei einigen Stücken bewusst mit für seine Improvisationen. Während Petroschka vorsichtig eine große Trommel schlug, stieg auch Stockhausen mit in das Geschehen ein. Es entwickelte sich eine unglaubliche Instant-Komposition, so dass weder ich noch ein weiterer Photograph sich trauten, die Kamera zu nutzen. Jedes Geräusch hätte nur gestört.

Im zweiten Stück ging es dann schon etwas dynamischer zu, so dass wir endlich unserer Passion folgten und einige Photos machen konnten. Auch von der Empore aus, denn dort störten wir am wenigsten, und durch den Spiegel des Organisten wurde eine neue Perspektive möglich. Mit meist geschlossenen Augen tauchte das Publikum immer tiefer in die Klänge ein. Die Musiker benötigten untereinander kaum den Blickkontakt, und so dauerte es einige Sekunden, bis klar war, was Markus von Berndt wollte – nämlich die Kalimba, die er weiterspielend von Berndt übernahm, so dass Berndt sich wieder den vielfältigen Percussionsinstrumenten widmen konnte.

Berndt M. Petroschka und Markus Stockhausen, Foto: (c) Peng!Berndt M. Petroschka und Markus Stockhausen, Foto: (c) Peng!

Sehr spannend wurde es, als Mantey ein Hang-ähnliches Instrument, welches links von ihm neben dem Klavier stand und gelegentlich gespielt wurde, auf seine Beine legte und das Ufo-förmige Instrument parallel zum Klavierspiel einsetzte. Stockhausen wechselte während der Stücke von der Trompete zum fantastisch klingenden Flügelhorn aus Kupfer oder auch der Piccolo-Trompete. Sein Flügelhorn, eine Sonderanfertigung für ihn, hat Markus nochmals, um seinen perfekten Klang durch Veränderung des Resonanzverhaltens zu erzielen, mittels eines kleinen Filzkeils modifiziert, der zwischen die Ventile und das Rohr gesteckt war.

Dieses kleine Teil entwickelte in sonderbarer Weise ein Eigenleben, indem es ab und zu während des Spielens zu Boden fiel, aber bei der nächsten Gelegenheit von dem Trompeter wieder an seinen vorbestimmtem Platz angebracht wurde. Besonders beeindruckend waren die von ihm erzeugten Klänge, als er mit der Trompete in das Klavier hineinblies und die Saiten in Resonanz gingen, wodurch polyphone Sounds entstanden. Einige leise Töne, die wie aus weiter Ferne erklangen, erzeugte er durch einen Harmon-Dämpfer, was auch sicher einem Miles Davis Freude gemacht hätte, zarte sphärische Klänge, bei dem die Anwesenden den Atem anhielten und sich eine andächtige Stille wie frisch fallender Schnee auf das Publikum legte.

Holger Mantey und Markus Stockhausen, Foto: (c) Peng!Holger Mantey und Markus Stockhausen, Foto: (c) Peng!

Bei Petroschka liefen die Fäden zusammen. Mit seinem vielfältigen Percussionsinstrumentarium sorgte er nicht nur für den Rhythmus, sondern erzeugte durch seine ausgefeilte Spielweise und die aus verschiedenen Kulturen stammenden Instrumente ganz eigene Klangräume. Zeitweise schien es, als wollte er mit seinem Trommelpark die Orishas besänftigen oder auch mit den Donnerbüchsen böse Geister bannen. Teilweise wie in Trance oder auch freudestrahlend bediente er unzählige Trommeln, deren Namen aufzuzählen mühsam für denjenigen wäre, der sich damit nicht auskennt.

Seine Energie ließ er über die Hände in die Instrumente fließen, die sie als Töne an die beiden anderen Musiker sowie an das Publikum zurückströmen ließen. Besonders meisterhaft bespielte er die Tablas, deren Klang in der indischen Musik eine irre lange Tradition hat und in vielen religiösen Ritualen zum Einsatz kommt. Dadurch erhielt das Konzert eine weitere Facette spiritueller Musik. Die bespielte Udu sorgte für ein zusätzliches und seltenes Hörerlebnis.

Berndt M. Petroschka, Foto: (c) Peng!Berndt M. Petroschka, Foto: (c) Peng!

Die Musiker verstanden sich durch die erzeugten Klänge, benötigten kaum Blickkontakt und fanden in jedem der fünf gespielten Stücke zu einem gelungenen Ende. Nach eineinhalb Stunden wollten die Musiker das Konzert beenden – das Publikum aber nicht, und so entlockten es den Künstlern noch einige Zugaben. Bei der dritten Zugabe kam Markus Stockhausen zuerst alleine auf die Bühne, begann zu spielen und nach einigen Minuten folgten Holger Mantey und Berndt M. Petroschka.

Leider verging die Zeit für alle Zuhörer viel zu schnell, denn trotz des zweistündigen Konzertes war es ausgesprochen kurzweilig, und so bekam der Sonnabend für viele Lübecker ein besonderes, wunderbares Ende. Eben Opium fürs Volk.


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