Lucinda Williams, Foto: (c) Sabine Vierus

Lucinda Williams live in der Fabrik
Countryrock und Melancholie

Ein großer Bus steht draußen vor der Tür an der Straße. Wir sind in einem großen Saal mit Holzbalken, Bänken und Tischen aus Holz, minimalistischer Beleuchtung.

Eine Frau erzählt Geschichten mit ihrer rauchigen Stimme, countrylastige Musik ist zu hören. Die Lady trägt Jeans und Cowboystiefel. Manche Gäste sitzen auf der Tribüne, trinken ein Bier oder etwas anderes. Die anderen lauschen gebannt einfach nur den Worten der Geschichten. Die Stimmung ist entspannt.

Das könnte eine typische Szene eines US-amerikanischen Roadmovies sein. Stimmt, aber dennoch ist das weit gefehlt. Wir sind in der Fabrik, einer seit langer Zeit musikalisch ersten Anlaufstelle für besondere Musik in Hamburg. Die Frau mit der rauchigen Stimme ist Lucinda Williams, die eben diesen (ihren) Geschichten mit ihrer markanten Stimme Leben einhaucht. Sie steht nicht hinter einem Tresen, sondern auf der Bühne. Es geht um Liebe, gescheiterte Beziehungen und Existenzen. Unter anderem.

Eine kurze Biografie der Künstlerin ist hier vielleicht angebracht. Lucinda Williams, geboren 1953 im Staat Louisiana, USA, gab ihr musikalisches Debüt 1979. Die Mischung aus Country, Blues und Rootsrock benötigte noch fast 20 Jahre, ehe Mrs. Williams 1998 mit dem Album „Car Wheels on a Gravel Road“ der kommerzielle Durchbruch gelang. Einem breiten Publikum wurde sie durch den Song „Still long for your kiss“ bekannt, den sie dem Robert-Redford-Film „Der Pferdeflüsterer“ beisteuerte. Einen der drei Grammys ihrer Laufbahn, der höchsten musikalischen Auszeichnung der USA, erhielt sie für diesen Track.

Williams ist in den USA inzwischen eine gefragte Künstlerin. Sie schreibt Songs nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Künstler. Die Sängerin unterstützte namhafte Countrygrößen, wie Willie Nelson, Nanci Griffith und Steve Earle, und sang mit Elvis Costello. Mit der Musiklegende Bob Dylan, die sie sehr geprägt hat, ging die Sängerin auf Tournee. Das Time Magazine wählte Lucinda Williams 2002 zur „besten Songwriterin der USA“. Williams feiert das 25-jährige Jubiläum des Albums „Sweet old world“, dessen gleichnamiger Titelsong vom Magazin Rolling Stone auf Platz 22 der 40 traurigsten Countrysongs gewählt wurde.

Lucinda Williams, Foto: (c) Sabine VierusLucinda Williams, Foto: (c) Sabine Vierus

Nun ist sie, begleitet von der Band Buick 6, auf Tour, um einige ihrer neuen Songs und natürlich ihre „Klassiker“ live vorzustellen. Williams ist keine Entertainerin im klassischen Sinn; sie reduziert ihr Programm auf das, was sie kann: melancholische, zeitweise düster klingende Songs präsentieren. Lucinda Williams singt mit ihrer knarzenden, teilweise zerbrechlichen Stimme, sie trifft nicht immer jeden Ton, aber das ist verzeihlich, denn das, was sie darbietet, ist authentisch. Und sie hat viele der oben erwähnten Geschichten zu erzählen. Meist spielt sie ihre glitzernde Gitarre, die mit einem strassbesetzten Riemen befestigt ist.

Das Repertoire bietet aber auch schnellere und rockigere Songs, die die traurige Stimmung auflockern. Die drei Musiker begleiten Mrs. Williams professionell und virtuos. Insbesondere Gitarrist Stuart Mathis sei hier zu erwähnen, dessen Soli mal treibend, mal bedächtig und immer die Stimmung treffsicher untermalend begleiten. Den bereitgestellten Tee tauscht die Lady während des Konzertes durch ein Glas Rotwein aus – „Nachölung der Stimmbänder“, wie ich vermute. Das Publikum ist begeistert und feiert die 64-jährige Künstlerin, der sicher so leicht niemand mehr etwas vormacht.

Einer der Zettel mit der Tracklist des Konzertabends, der mit Klebeband auf dem Teppich der Bühne befestigt ist, enthält eine handschriftliche Botschaft: „I am your # 1 fan“. Dies wird sicher nicht der einzige Fan des Abends gewesen sein.

Fast zwei Stunden und 24 Songs später verlässt die Künstlerin die Bühne. Ein sichtlich begeistertes Publikum, das die Sängerin mit tosendem Applaus verabschiedet, bleibt zurück in der durch Holzbalken gestützten Halle – bei Bier und in entspannter Atmosphäre.

Sabine Vierus
Sabine Vierus
Gebürtige Lübeckerin (1971), seit 2016 die Landeshauptstadt Kiel als neue Heimat gewählt. Ausgeprägte Leidenschaft für Musik seit sie laufen kann. Das umfangreiche Musikwissen hat sie als Kauffrau über zwanzig Jahre im CD-Vertrieb an ihre Kunden weitergegeben. In der Freizeit oft mit der Kamera unterwegs; schreibt einen eigenen Blog. Schwerpunktthemen für "unser Lübeck": Musik- und Konzertrezensionen.

Sie haben keine Berechtigung hier einen Kommentar zu schreiben.