Susanne Wegener, Foto: Peng!

Jazzkonzert in der Kunsttankstelle
Kollektiv N

Wie nennt sich das, wenn ein Konzert so intensiv ist, dass es den Körper durchknetet und durchknotet, als bestünde er nur aus langen Knetgummischnüren?

Ich habe kein Wort dafür, ein Körperknetkonzert kennt der Duden nicht, und etwas Passenderes finde ich nicht. Aber ich brauche auch kein Wort dafür, mir genügt es, dass ich am Samstag, 24. Juni 2017 in der Kunsttankstelle Defacto mit dem Kollektiv N ein außergewöhnliches Konzert erleben durfte. Dieses vielartige und -armige Künstlerkollektiv, das sich aus acht namhaften und ostseeaffinen Künstlern zusammensetzt – Susanne Wegener (Gesang und Bewegung,) Theo Jörgensmann (Klarinette), Heinz-Erich Gödecke (Posaune und anderes), Jens Tolksdorf (Saxophone, Trompete und Querflöte), Wolfgang Schmied (Gitarre), Peter Ortmann (Klavier), Akira Ando (Kontrabass) und Willi Kellers (Schlagzeug und Perkussion) – hat sich dem frei improvisierten Jazz verschrieben.

Kollektiv N, Foto: Peng!Kollektiv N, Foto: Peng!Und ja, an diesem Premierenwochenende unternahm dieses Großensemble mit dem gespannten und aufmerksamen Publikum eine Reise durch Improvisationen und Emotionen, Klänge und Töne, Wasserspiel und Schauspiel, Herzschlag und Trommelschlag. Und als wäre diese Unternehmung nicht Abenteuer genug, wurden Willi Kellers auch zum tonmalenden Dirigenten und Jens Tolksdorf zum Tauchsieder, der kochenden Noten aus der Wasserschüssel aufsteigen ließ. Wolfgang Schmied legte seine Gitarre aus der Hand, nahm stattdessen ein elektronisches Stethoskop und klopfte uns allen mit seinem Herzen den Takt, Heinz-Erich Gödecke verführte das Publikum mit seiner lautmalerischen Posaune in unbekannte Welten, Theo Jörgensmann gab mit seiner Klarinette 150%, damit das Publikum 300% erleben konnte, und Peter Ortmann schien zusammen mit seinem Spiegelbild am Klavier doppelt zu spielen. Mit Akira Ando, der Kontrabass gewordenen Weisheit, und Susanne Wegener, der Stimme gewordenen Sinnhaftigkeit, schloss sich der Spannungsbogen.

Die Musik nahm uns mit und nahm mit - es war kein einfaches Konzert, aber ein zutiefst berührendes. Immer wieder sah ich meine Mitzuhörer gebannt lauschen und glücklich lächeln. Loslassen war nicht möglich, aber wer wollte schon aus dem Sog heraus! Das letzte Stück entwickelte sich schließlich für mich zum wahrhaft furiosen Finale. Dieser körperinvolvierende Tanz der Töne steigerte sich noch, bis ich spürte, dass meine Nerven sich vor dem Zwerchfell wie Fäden verknoteten, meine Sinne sich wie Schlangen umschlungen hielten. Ja, ein Konzert, fast bis an die Grenzen des physischen Schmerzes, pochend, jagend und nagend, und doch so mitreißend, dass man nach mehr verlangt!

Kollektiv N, danke, und wann geht es weiter???


Fotos: (c) Peng!


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