Krzysztof Urbański, Foto (c) Olaf Malzahn

Klassische Klarheit und archaische Kraft
Beethoven und Strawinsky im Konzert der Elbphilharmoniker

Mit zwei Werken Ludwig van Beethovens begann das vierte Konzert der Elbphilharmoniker (10. Dezember 2016) in der Lübecker Musik- und Kongresshalle. Sie passten gut zusammen.

Zunächst zelebrierte Krzysztof Urbański, Erster Gastdirigent des Orchesters, die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, die allgemein als Ideal einer knappen Zusammenfassung des Fidelio gilt. Ihr folgte das Klavier-Konzert Nr. 3, das einzige in einer Moll-Tonart.

In der Ouvertüre hatte er ausgesprochen langsame Tempi gewählt, wohl in der Absicht, Klangliches hervorzuheben. Das gelang gleich von Anfang an mit feiner Schwelldynamik oder empfindsamer Zeichnung von Melodischem. Allzu sehr in den Wohlklang verliebt entwischte ihm aber im Gesamteindruck der dramatische Gestus in Beethovens Musik, auch die jubelnde Freude. Ansätze waren vorhanden, etwa bei den beiden Trompetensignalen, die er aus unterschiedlicher Entfernung blasen ließ. Plastisch malte das die sich nähernde Erlösung.

Alice Sara Ott, Foto (c) Olaf MalzahnAlice Sara Ott, Foto (c) Olaf Malzahn

Ähnlich verliebt in klassisches Ebenmaß ließ Urbański auch den ersten Satz des c-Moll Konzertes interpretieren. Ein nobles Klangbild entstand in der Orchesterexposition, dem sich die fabelhafte Alice Sara Ott im Solopart nach ihrem Eintritt in das musikalische Geschehen anschloss. Über ihr extravagantes Auftreten ist bereits so viel kolportiert worden, dass es hier ausgespart sei. Wichtiger ist ihr sehr klares Klavierspiel, ihr kräftiger Anschlag und absolut sichere Technik, alles Grundlage für das Ebenmaß ihrer Gestaltung.

Zudem erreichte sie eine nahezu perfekte Einheit mit dem Orchester, das der Dirigent im Piano noch weiter zurücknahm, so dass die Solistin immer absolut im Vordergrund stand. Zu einem wunderbaren Gesamteindruck fand man im langsamen Satz, dessen ruhige, vor allem im Mittelteil kammermusikalische Gestaltung zu einem großen Erlebnis wurde. Die Pianistin dankte in der Zugabe mit einem Einblick in ihre jüngste Einspielung von Werken Edvard Griegs, hier mit dem brillant interpretierten Zug der Zwerge aus den Lyrischen Stücken op. 54 .

Krzysztof Urbański, Foto (c) Olaf MalzahnKrzysztof Urbański, Foto (c) Olaf Malzahn

Trotz dieser großartigen Leistung im ersten Teil wurde doch Strawinskys Ballettmusik Le sacre du printemps im zweiten erst zu dem wahrlich mitreißenden Ereignis. Es ist das genaue Gegenteil von klassischer Haltung. Strawinsky hatte mit dieser Musik vor etwas mehr als 100 Jahren einen der größten Skandale verursacht. Etwas davon schwebt immer noch im Raum, wenn es so impulsiv wie hier aufgeführt wird, obwohl Strawinskys Musik längst zur klassischen Moderne gehört. Wer sich auf sie einlässt, spürt von Anbeginn, wie sie mit ihrer eigenwilligen Melodik, mit ihrer schwebenden Rhythmik und herben Harmonik den Hörer in einen magischen Bann zieht.

Das Orchester folgte dem Dirigenten, der das komplizierte, metrisch äußerst komplexe Werk auswendig dirigierte, mit großer Aufmerksamkeit. Urbański vermittelte dabei den Eindruck, als wolle er ein wenig von dessen urtümlicher Kraft auf dem Dirigentenpult sichtbar machen. Vor allem die permutationsartige Musik des Opfertanzes, des Finalstücks, mit den fesselnden metrischen Wechseln wurde dabei zum Höhepunkt, weil der Dirigent selbst in einen tranceartigen Zustand zu geraten schien. Strawinskys Werk beeindruckte und erzielte langen und intensiven Applaus.

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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