Mari Kodama, Foto (c) Olaf Malzahn

Schönberg und Bruckner im 3. Sinfoniekonzert der Lübecker Philharmoniker

Auch für das dritte Saisonkonzert der Lübecker Philharmoniker (27. und 28. November 2016) hatte GMD Ryusuke Numajiri ein Klavierkonzert gewählt, und wie im ersten, in dessen Zentrum ein zeitgenössisches aus der Feder eines Landsmannes stand, kam wieder die Solistin aus seiner Heimat. Es war Mari Kodama, 1967 in Osaka geboren. Sie war seit frühester Kindheit mit Musik beschäftigt, soll bereits mit drei Jahren Noten lesen gekonnt haben.

Sich an den komplexen Part in Arnold Schönbergs Klavierkonzert op. 42 heranzutrauen, ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Schönberg hatte es 1942 in seiner Spätzeit in Amerika komponiert, wo der aus Österreich geflohene jüdische Komponist in einer sehr prekären Situation lebte. Dennoch spürte man in diesem Werk einen positiven Lebenswillen. Der müsste sich auch den Hörern gefühlsmäßig mitgeteilt haben, denn sie folgten ihm mit spürbarer Aufmerksamkeit.

Vier unmittelbar ineinander übergehende Sätze richten sich annähernd nach dem klassischen Aufbau. Im ersten Satz ist es ein Walzer, der Pate stand, später deuten Marschrhythmen auf harte Lebensverhältnisse hin. Sie werden vor allem im Adagio ausgebreitet, um dann doch im Finalsatz, Giocoso überschrieben, ins Positive gewendet zu werden. Die teils geballt akkordische, teils linear verwobene Struktur des Klaviersatzes, die in ihrer strengen 12-Ton-Technik dem Interpreten kaum Anhaltspunkte gibt, verlangt eine ungeheure Konzentration, auch weil sie kammermusikalisch mit dem Orchester eng verwoben ist.

Mari Kodama, Foto (c) Olaf MalzahnMari Kodama, Foto (c) Olaf Malzahn

Nur zu verständlich war, dass Mari Kodama die Noten vor sich aufgestellt hatte. Auch für das Orchester und den Dirigenten ist dieses Konzert kein Alltag. Numajiri, selbst Pianist, musste sich mit ihm intensiv auseinandergesetzt haben, so dass eine stimmige Interpretation entstand, zu der auch eine Reihe von solistischen Einsätzen im Orchester beitrug. Das Emotionale dieser im normalen Konzertbetrieb ungewöhnlichen Darbietung kam an. Der Applaus brachte im Montagskonzert ein Beethoven-Werk als Zugabe, das allseits beliebte „Für Elise“.

Auch das zweite Werk fordert heraus. Die weit sich spannende Gedankenwelt Anton Bruckners verlangt vor allem vom Dirigenten einen klugen Gestaltungsplan. Der war bei Numajiri in seiner Auffassung der siebten Sinfonie des Österreichers nicht immer nachvollziehbar. Die Ecksätze, auch der Scherzo-Satz, mochten in Numajiris Art, Wirkung im Moment zu erzeugen, in manchen Partien noch sich mitteilen. Spannung aber, durch einen vorausschauenden Aufbau erzeugt, fehlte vor allem dem zweiten Satz. Er verwendet, bei Bruckner in seinem Schaffen hier erstmalig, die Wagner-Tuben, deren runder, warmer Klang die Atmosphäre dieses Satzes bestimmt. Dass dieser Satz zerdehnt wurde, war nicht die Schuld der Musiker, die an etlichen Stellen noch wunderbare Klangbilder erzeugten. Es war Numajiris ständig vorantreibende Dirigierweise, die der Musik jede Ruhe, jede innere Spannung nahm.

Fotos: (c) Olaf Malzahn

Arndt Voß
Aufgewachsen in Neumünster, in Lübeck seit 1959. Studium in Kiel und Hamburg (Musik- und Literaturwissenschaft). Ständige Mitarbeit an den Lübeckischen Blättern von 1974 bis 2014, Berichte und Kritiken darüber hinaus in einigen anderen Organen. Schwerpunktthemen: Musiktheater, Schauspiel, Konzerte.

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